Wie ein Friedensabkommen den Regenwald bedroht
Jahrzehntelang bot der dichte Regenwald des Amazonas der FARC, Kolumbiens ältester Guerillabewegung, Schutz im Kampf gegen den Staat und seine Repräsentanten. 2014 riefen die Rebellen einen Waffenstillstand aus, zwei Jahre später unterzeichneten sie und die Regierung ein Friedensabkommen. Dem Regenwald hat dieses Abkommen schwer geschadet: Seitdem wird immer mehr Fläche gerodet – besonders in den Regionen, die zuvor von der Guerilla beherrscht wurden.
Im Rahmen ihrer Bachelorarbeit hat Dorothee Uchtmann die Ursachen und die Dynamiken dieser Entwaldung genauer untersucht. 2020 gewann sie dafür den zweiten Platz des Young Climate Scientists Award.
Vor Ort hat die Geografin mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener staatlicher und nichtstaatlicher Umweltschutzorganisationen, Forschenden sowie mit Politikerinnen und Politikern der Comunes gesprochen, einer linken Partei, die als Nachfolgeorganisation der FARC gegründet wurde. Dabei wurde klar: Nicht der Frieden an sich, sondern die Schwäche des Staates ist die Ursache der zunehmenden Rodungen. Die Behörden haben es nicht geschafft, das Machtvakuum zu füllen, das die Guerilla hinterlassen hat.
Vor dem Friedensabkommen kontrollierte die FARC, wie viel Land zwecks Viehhaltung oder Koka-Anbau gerodet wurde. Heute überwacht dies niemand mehr. Die Folge: Mehr Wald wird abgeholzt. Hinzu kommt die Aussicht auf Spekulationsgewinne: Da der Staat über kein Landregister verfügt, entwalden Menschen große Flächen, nutzen sie zur Viehzucht und hoffen, sie eines Tages gewinnbringend weiterverkaufen zu können.
„Tatsächlich sind es nicht die Menschen vor Ort, die die zunehmende Entwaldung vorantreiben, sondern Investoren und Großunternehmer aus den Städten und dem Ausland“, betont Uchtmann. Sie lassen den Wald im großen Stil abholzen und stellen dafür Menschen aus der Region als Tagelöhner ein. Und das, obwohl diese diejenigen sind, die den Wald eigentlich schützen wollen: „Die Menschen in der Region kümmern sich um ‚ihren‘ Wald. Zahlreiche kleine Initiativen pflanzen wertvolle Hölzer, pflegen diese, entnehmen nur nach und nach Holz und pflanzen entsprechend nach“, so Uchtmann. Ihr Vorschlag: Um effektiv gegen die Entwaldung vorzugehen, sollten diese Organisationen gestärkt und direkt, auch finanziell, unterstützt werden. Sie sorgen dafür, dass der Wald als natürliche Ressource erkannt wird. Bisher ging Geld, vor allem auch aus dem Ausland, aber immer erst an den Staat. Und kam nie vor Ort an.