Konferenz 2016: "Energiewende im Raum?"
Klimaverändernde Emissionen durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe, Probleme bei der Entsorgung von nuklearen Brennstäben – elementare Gründe, die Erneuerbaren Energien seit Beginn der 1990er Jahre verstärkt in Deutschland auszubauen. Nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima rief die Bundesregierung offiziell die Energiewende aus.
Forciert durch staatliche Subventionsprogramme, aber auch aufgrund der innovativen Entwicklung in der Anlagentechnik hat sich der Anteil der „Erneuerbaren“ an der Stromerzeugung seit 2000 von 6,8% auf 25,4% im Jahr 2015 erhöht. Den Vorteilen einer nahezu emissions- und reststofffreien Energiegewinnung stehen die volkswirtschaftlichen Kosten und die Nachteile eines vergleichsweise hohen Raum- und Landschaftsverbrauchs der „Erneuerbaren“ gegenüber. Um die zunehmend knappe „Schlüsselressource Raum“ für die Energieproduktion optimal zu nutzen, sind Planungskonzepte notwendig, die die Konflikte minimieren und Nachhaltigkeit fördern.
Vor diesem Hintergrund hat die Konferenz „Energielandschaften Norddeutschland – Energiewende im Raum?“ eine Plattform geboten, auf der Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik aktuelle Entwicklungen Erneuerbarer Energien erörtern und die Faktoren einer erfolgreichen Energiewende diskutieren konnten. Der nachfolgende Bericht fasst die wichtigsten Themen des Konferenztages zusammen:
Fossile Energieträger warten auf Ablösung
Rund 220 Gäste kamen am Mittwoch zur Konferenz „Energielandschaften Norddeutschland“, die das Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) und das Cluster Erneuerbare Energien Hamburg gemeinsam organisiert hatten. Im Museum für Völkerkunde Hamburg diskutierten die Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft aktuelle Fragen der Energiewende und des Klimaschutzes.
Die altehrwürdigen Museumsräume widersprächen in keiner Weise moderner Technologie, wie sie die Energiewende verlange, begrüßte Jens Kerstan, Hamburgs Senator für Umwelt und Energie, die Konferenzgäste. Innovative Technologien seien notwendig, um die ehrgeizigen Ziele der Weltklimakonferenz von Paris umzusetzen. Mit der Neugestaltung der Energiesysteme verändere sich jedoch die Landschaft – in der Politik genauso wie in der Heimat der Menschen. Fragen der Gesundheit, des Kultur- und Artenschutzes und zur Landschaft vor der eigenen Haustür müssen mit Bürgerinnen und Bürgern diskutiert und und deren Ergebnisse konkret in die Planungen einbezogen werden. Nur dann könne die Energiewende von allen akzeptiert und getragen werden, betonte Kerstan.
Viel Zeit sollte allerdings nicht für Diskussionen verstreichen, sondern konkrete Maßnahmen zur Emissionseinsparung müssten schnell folgen. Oliver Geden von der Stiftung für Wissenschaft und Politik zeigte auf, dass für die Erreichung der aktuellen Einsparungsziele nur noch wenig Zeit bleibt. Weltweit dürften noch insgesamt 210 Gigatonnen Treibhausgase ausgestoßen werden, wenn die globale Mitteltemperatur nur um 1,5 Grad ansteigen soll. Gingen die Emissionen weiter wie bisher, wäre dieses Budget in fünf Jahren ausgeschöpft, so Geden.
Welche Folgen höhere Temperaturen zukünftig haben könnten, sei schwer abzuschätzen, sagte Prof. Hermann Held vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) in seinem Vortrag. Trotzdem seien die Volkswirtschaften gut beraten, schon jetzt in Technologien zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen zu investieren. Viel hänge davon ab, welcher Technologiemix angestrebt wird. So würden die Aufwendungen für den Klimaschutz steigen, wenn bestimmte Techniken nicht angewendet werden. Soll laut dem letzten Weltklimabericht beispielweise auf die Technik zur Abscheidung und Verpressung von Kohlendioxid (Carbon Capture and Storage, kurz CCS) verzichtet werden, würden die Kosten 50 bis 250 Prozent höher liegen, als wenn diese Technik in Zukunft ausgebaut wird. Zu berücksichtigen sei allerdings, dass die Folgen dieser Technologie nicht vorhersehbar sind, sagte Held.
Michael Müller, Vorsitzender der Endlagerkommission des Bundestages, forderte in seinem Vortrag, eine radikale gesellschaftliche Reform. Von dem linearen Fortschrittsgedanken müssten sich die Menschen verabschieden. Weiterhin forderte Müller die Wissenschaft auf, wieder ganzheitlicher und fächerübergreifender zu denken.
Am CEN forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits interdisziplinär zu Fragen der Energiewende. Mit ihrer Forschung wollen sie Strategien aufzeigen, um negative Folgen der Energiewende zu vermeiden. Ein Schwerpunkt liegt auf Konzepten, um die knappe Ressource Raum erfolgreich in die Energiewende zu integrieren. So gehe es für Norddeutschland auch darum, effiziente und umweltverträgliche Transportwege für die Energie zu schaffen, sagte Prof. Jürgen Scheffran vom CEN. In einer modernen Energielandschaft würde die Energie keineswegs nur dort produziert, wo sie gebraucht werde.
Stadt und Region müssen zusammenarbeiten
Was die Energiewende in Norddeutschland weiterbringen könnte, diskutierten Alexander Porschke vom Naturschutzbund, Dr. Oliver Weinmann von Vattenfall Innovation, Karsten Smid von Greenpeace, Dr. Björn Dietrich von der Behörde für Umwelt und Energie Hamburg und Prof. Martin Kaltschmitt von der Technische Universität Hamburg-Harburg im Anschluss an die Konferenz auf dem Podium. Dabei stand die Kooperation zwischen der Großstadt Hamburg und den umliegenden Ländern im Mittelpunkt.
Hamburg muss Energie importieren. Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen exportieren ihre Energieüberschüsse. Laut Weinmann werde es in Zukunft keine Großkraftwerk-Projekte mehr geben. Kleinere Anlagen zur Energieerzeugung auf einer größeren Fläche seien die Zukunft. Daraus entsteht die Aufgabe einer guten, länderübergreifenden Zusammenarbeit. Die Windmesse von Husum nach Hamburg zu holen, hätte die Stimmung eher verschlechtert, sagte Smid.
Neben den Interessen und Problemen von Energieproduzenten und dem internationalen Klimaschutz, wurde auch über konkreten Naturschutz beim Bau von Windrädern, wissenschaftliche Analysen und behördliche Vorgaben gesprochen. Moderator Jan Rispens machte auf die Unsicherheiten aufmerksam, die beim Wandel des Energiesystems bestehen. Diese Schwierigkeit bestätigte Kaltschmitt mit einem Blick in die Vergangenheit. So hätte die Gesellschaft vor zehn Jahren die heutige Technologieentwicklung nicht erwartet. Bis 2025 sei also vieles möglich.
Das Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg und das Cluster Erneuerbare Energien Hamburg haben die Veranstaltung gemeinsam organisiert.