Auf der Suche nach Gewittern
2. September 2021, von Stephanie Janssen
Foto: UHH/CEN/B.Kirsch
Bastian Kirsch erforscht für seine Doktorarbeit Gewitter und die darunter entstehenden „Seen“ aus kalter Luft, die so genannten Cold Pools. In Brandenburg hat er dafür mehrere Wochen lang Messstationen betreut und gewartet. Hier berichtet er von warmen Luftmassen und einem Cold Pool namens Jogi.
Herr Kirsch, gerade geht ein Projekt zu Ende, in dem Sie drei Monate lang Gewitter untersuchen wollten und dazu ein Messnetz von 99 Stationen in Brandenburg aufgebaut hatten. Was, wenn es in diesem Sommer dort nicht geblitzt hätte?
Bastian Kirsch: Da mussten wir tatsächlich ein paar Wochen lang zittern, denn der Aufwand war immens. Nach dem Start Mitte Mai zog erst Ende Juni das erste Gewitter über unsere Messstationen hinweg. Das war aber auch gleich ein richtig starkes. Wir haben das Ereignis Jogi genannt, weil es am Tag des letzten EM-Spiels von Deutschland gegen England stattfand.
Sie haben auch erste Daten von Jogi mitgebracht, eine Grafik. Sie interessieren sich dabei besonders für die Kaltluftseen, die sich unterhalb eines Gewitters am Boden ausbreiten. Was hat es mit diesen so genannten Cold Pools auf sich?
Ein Gewitter schüttet quasi kalte und schwere Luftmassen unter sich aus, die dann schnell zu Boden sinken. Dort breiten sie sich wie ein See kreisförmig aus. Weil die Luft drum herum viel wärmer und leichter ist, schieben sich die kalten Luftmassen unter die warme Luft am Boden und drücken diese hoch. An solchen Orten können wir dann innerhalb kurzer Zeit einen krassen Temperaturabfall spüren. Die Jogi-Grafik zeigt das gut. Die Luft am Rand hat rund 30 Grad Celsius, die mitten im Cold Pool nur 18 Grad. Das sind also ganze 12 Grad Unterschied auf kleinem Raum.
Als graue Punkte sind die einzelnen Messstationen eingetragen. Was zeigen die Pfeile?
Neben Temperatur und Luftdruck haben wir an 19 Stationen auch die Windrichtung gemessen. Die Pfeile zeigen deutlich die Ausbreitung des Cold Pools vom Zentrum des Gewitters nach außen. Wir sehen an der Grafik außerdem, wie schwer es ist, ein Gewitter komplett „einzufangen“. Unsere Stationen sind in einem Gebiet mit rund 30 Kilometer Durchmesser aufgestellt. Streift ein Cold Pool nur die Ränder, können wir seine tatsächlichen Ausmaße gar nicht erfassen.
Und was machen Sie jetzt mit den Daten, wem nützen sie?
Cold Pools sind eine Folge von Gewittern, aber sie spielen auch eine wichtige Rolle bei ihrer Entstehung. Wenn sie die warme Luft anheben, können diese Luftmassen weitere Gewitter erzeugen. Wir haben jetzt erstmals die räumliche Struktur von Cold Pools ganz genau vermessen und können sehen, dass Temperatur und Trockenheit der Umgebungsluft beeinflussen, wie kalt der Cold Pool wird. Bisher ging man davon aus, dass dafür eher die Stärke des Niederschlags verantwortlich ist. Wir machen hier Grundlagenforschung. Unsere Ergebnisse gehen vielleicht in zehn Jahren in die Vorhersage von Gewittern mit ein.
Die Hamburger Messstationen waren rund um das Observatorium Lindenberg in Brandenburg aufgestellt. Wie lief die Wartung ab?
Ich musste täglich los und etwa 20 Stationen am Tag kontrollieren, also die gemessenen Daten mit einem Laptop auslesen und Akkus austauschen. Die Sensoren standen mit ihren drei Meter hohen Masten außerdem ganz schön auffällig an den Straßenrändern. Viele Leute stellten mir neugierige und manchmal misstrauische Fragen, was ich denn hier messen würde. Wenn ich dann von den Gewittern erzählte, waren sie aber immer sehr interessiert.
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Die Messkampagne FESSTVaL sollte bereits 2020 stattfinden, wurde aber alternativ als FESSTVaL@home in Hamburg durchgeführt. Artikel dazu im Newsroom: Gewitter können sich vermehren
Infos zum Start der Messkampagne 2021: Gewittern auf der Spur
Projektseite: FESSTVaL-Kampagne