Wie geht sinnvoller Naturschutz?
13. Februar 2019, von Stephanie Janssen
Foto: UHH/CEN/K.Jantke
Nicht so wie bisher, sagt Dr. Kerstin Jantke. Für Schutzzonen an Land und im Meer fehlt weltweit eine Strategie, die richtigen Flächen zu bewahren. Die Umweltwissenschaftlerin hat in Zuammenarbeit mit der Universität Queensland in Australien ein Software-Tool entwickelt, das diese Planung effizient macht und so Biodiversität erhalten kann.
Frau Jantke, seit Jahrzehnten vergrößert sich die Fläche von Naturschutzgebieten auf der ganzen Welt. Es wurde beschlossen, bis 2020 zehn Prozent der Meere und 17 Prozent der Landflächen zu schützen. Dieses Ziel ist weitgehend erreicht. Können wir uns freuen?
Ja, die Schutzflächen werden immer größer, je näher wir dem Jahr 2020 kommen. Internationale Vereinbarungen im Rahmen der Vereinten Nationen wie die Sustainable Development Goals (SDG) oder die Aichi-Ziele haben hier durchaus Wirkung gezeigt. Doch die Zahlen beschreiben nur die reine Fläche. Wenn wir genauer hinschauen, sieht es nicht mehr rosig aus.
Was läuft schlecht?
Aktuelle Forschung zeigt, dass ein Drittel der Gebiete nur auf dem Papier ausreichend geschützt ist. Entweder wird vor Ort nicht kontrolliert, ob die Schutzvorschriften eingehalten werden – oder die Vorschriften fehlen gleich ganz. Wir nennen diese Zonen Paper Parks, das sind zum Teil reine Papiertiger.
Sie haben jetzt herausgefunden, dass auch die Schutzzonen selbst nicht die vereinbarte Größe erreichen – obwohl die Flächenziele ja erreicht wurden. Was bedeutet das?
Ausschlaggebend ist, welche Flächen geschützt werden. Um die Vielfalt, die Biodiversität, auf unserem Planeten zu erhalten, muss möglichst von allen Ökosystemen ein Teil geschützt werden. Das geht von der Arktis über die Tundra bis in die Karibik. Dazu lässt sich die weltweite Landfläche in 825 unterschiedliche Ökoregionen einteilen, im Meer sind es rund 260. Jede einzelne Region sollte jeweils zu zehn Prozent unter Schutz stehen. Das steht jedenfalls im Abkommen, wird nur kaum beachtet.
Ist dies nicht automatisch der Fall, wenn ein Staat ausreichend Fläche geschützt hat?
Nein, ein Beispiel ist der Meeresschutz in Australien: Rund um den Kontinent befinden sich 53 einzigartige marine Ökoregionen. Das Land hat mit 43 Prozent seiner gesamten Meeresfläche ein riesiges Netzwerk an Schutzgebieten ausgewiesen, das Soll ist übererfüllt. Meine Analysen zeigen, das trotzdem zwölf der Ökoregionen zu wenig und sieben davon noch überhaupt nicht geschützt sind.
Warum machen die Länder das nicht?
Zunächst wird eher geschaut, wo Flächen günstig geschützt werden können, ohne dass Wirtschaft oder Bevölkerung große Abstriche machen müssen. So kommt es, dass manche Länder große Teile von der immer gleichen Ökoregion schützen, aber andere Regionen außer Acht lassen. Gleichzeitig fehlte bislang ein Werkzeug, um diese Flächen möglichst einfach messen zu können. Dafür habe ich jetzt ein frei verfügbares Softwarepaket entwickelt, mit dem die Länder ihren Status selbst erheben können.
Was kann die Software?
Das Programm ermittelt für jede Ökoregion, zu wieviel Prozent sie geschützt ist. Damit kann es Schutzlücken aufspüren, die sonst nicht so einfach zu erkennen sind. Besonders praktisch ist auch der Gesamtwert der „Schutzabdeckung“. Denn bei unterschiedlichen Ökoregionen und vielen kleinen Schutzgebieten kann es kompliziert werden. Mein neuer Wert gibt an, zu wieviel Prozent ein Staat sein Ziel – zum Beispiel zehn Prozent jeder Ökoregion zu schützen – schon erreicht hat. Damit kann erstmals ein einfaches und eindeutiges Ranking von Ländern oder Kontinenten aufgestellt werden.
Ist es wirklich so wichtig, dass jede einzelne kleine Ökoregion erhalten bleibt?
Auf der Erde existiert kein Landstrich isoliert von einem anderen. Wir sollten es deshalb nicht riskieren, einen Teil zu zerstören. Hinzu kommt, dass genetische Vielfalt es für Pflanzen und Tiere einfacher macht, sich an Veränderungen anzupassen. Der Klimawandel ist eine besonders schnelle Veränderung unseres Lebensraumes: Je größer die Bandbreite innerhalb der Arten, desto besser werden sie damit umgehen können.
2020 werden in China unter Führung der UN womöglich neue Ziele formuliert. Was würden Sie sich wünschen?
Harte Ziele wie konkrete Vorgaben in Prozent sind gut – aber die Zahlen selbst waren zu klein. Als Wissenschaftlerin gehe ich davon aus, dass mindestens 30 Prozent einer jeden Ökoregion geschützt werden müssen, um das Überleben bedrohter Tiere und Pflanzen zu sichern – aber auch damit sie ihre Funktionen wie zum Beispiel die Reinhaltung von Luft und Wasser langfristig erfüllen kann. Ein solches Ziel wünsche ich mir.
Wissenschaftliche Fachartikel:
Metrics for evaluating representation target achievement in protected area networks (2018): Jantke K et al. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/ddi.12853
Poor ecological representation by an expensive reserve system: Evaluating 35 years of marine protected area expansion (2018): Jantke K et al. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/conl.12584
Kontakt:
Dr. Kerstin Jantke
Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN)
Universität Hamburg
E-Mail: kerstin.jantke@uni-hamburg.de
Tel.: +49 40 42838 2147