Wetter und Klima jetzt dreidimensional
25. April 2022, von Marc Rautenhaus
Foto: Met.3D
Wie wird das Wetter morgen, wie das Klima in 20 Jahren? Das errechnen heute komplexe Computermodelle, die als Ergebnis lange Zahlenkolonnen ausspucken. Anschließend müssen die riesigen Datenmengen oft noch als Grafik oder Karte aufbereitet werden, um sie zu deuten – bisher meistens zweidimensional, in 2D. Doch wie wäre es, wenn ich die Atmosphäre unmittelbar und in 3D untersuchen könnte?
Das habe ich mich in meiner Zeit als Meteorologe in München oft gefragt. Dort war ich an der Planung von Forschungsflügen beteiligt. Meine Aufgabe war es, diejenige Route zu finden, auf der bestimmte interessante Wetterphänomene mit hoher Wahrscheinlichkeit auftreten. Dafür mussten oft in kurzer Zeit verlässliche Prognosen für den anstehenden Flug erstellt werden: Wo tauchen die gesuchten Wolken auf? In welche Richtung werden die Rauchschwaden von Waldbränden ziehen? Solche dreidimensionalen Prozesse musste ich dabei mühsam und zeitaufwendig aus 2D-Karten rekonstruieren.
Andere Bereiche sind hier schon viel weiter. In Computerspielen etwa kann ich Welten durchschreiten, während sich die virtuelle Umgebung direkt an meine Bewegungen anpasst. Ließe sich dies nicht auf wissenschaftliche Daten übertragen? Die Schnittstelle zwischen Meteorologie und Informatik hatte mich schon lange fasziniert. So begann ich mit Grafik-Hardware aus dem Spielebereich zu experimentieren, um meteorologische Daten in einer 3D-Umgebung sichtbar zu machen. Ich programmierte eine Software, mit der ich diese Daten interaktiv darstellen konnte. Am CEN, dem Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg, entwickle ich das Tool zurzeit weiter.
Durch die Rechenleistung der Grafikkarten wird die Darstellung schnell und flüssig, so dass ich Wetterphänomene direkt untersuchen kann. Ich kann horizontal und vertikal durch die Atmosphäre scrollen und sehe die Ereignisse darin ganz unmittelbar dreidimensional. Interessante oder neue Phänomene erkenne ich so intuitiv, ohne lange nach ihnen suchen zu müssen.
Das ist ein wichtiger Schritt für die Forschung, denn durch eine interaktive 3D-Darstellung werden auch verborgene Prozesse sichtbar. Bisher werden Prognose-Daten noch standardmäßig mittels 2D-Karten untersucht. Nur wenn ein Teil der Daten besonders interessant ist, wird in einigen Fällen ein aufwändiges 3D-Bild oder eine 3D-Animation erstellt, um die Abläufe in der Atmosphäre dort besser zu verstehen. Solch eine Darstellung steht also jeweils erst am Ende einer Analyse. Mit der neuen Software – ich nenne sie Met.3D – lassen sich dagegen alle Daten sofort dreidimensional erforschen.
Begrenzt wird die Anwendung dabei von der Menge der Daten, die in den Grafikspeicher passen. Deshalb arbeitet unser Team zurzeit daran, die Datenmenge weiter zu reduzieren. Das gelingt zum Beispiel, indem das Programm bestimmte Strukturen der Atmosphäre wie Kalt- oder Warmfronten automatisiert erkennt. Wollen wir also zum Beispiel Kaltfronten untersuchen, scannen wir die Daten zuvor auf dieses Merkmal, filtern die Treffer heraus und müssen anschließend nur noch diese Daten in den Grafikspeicher überführen.
In Zukunft möchte ich erforschen, welchen Mehrwert das Programm für die Lehre bietet. Ich bin überzeugt, dass Studierende die Prozesse in der Atmosphäre viel besser verstehen, wenn sie die Zusammenhänge in 3D selbst untersuchen können.
Dr. Marc Rautenhaus erforscht als Atmosphärenforscher und Informatiker am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) und am Regionalen Rechenzentrum (RRZ) der Universität die wissenschaftliche Visualisierung von Daten.
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Gastbeitrag: Dieser Artikel ist zuerst im Hamburger Abendblatt im Rahmen unserer monatlichen Serie zur Klimaforschung erschienen. Alle Artikel der Serie.