Prof. Dr. Manfred Wendisch vom Institut für Meteorologie der Universität Leipzig ist wissenschaftlicher Koordinator der fünfwöchigen HALO-(AC)³-Messkampagne, bei der die Änderungen von Luftmassen auf ihrem Weg in und aus der Arktis untersucht werden sollen. Was genau dabei mit den Luftmassen insbesondere in Bezug auf die Wolkenbildung geschieht, soll detailliert beobachtet und mit modernsten Instrumenten vermessen werden. Diese Luftmassenänderungen können nicht durch lokale bodengestützte Messungen charakterisiert werden, denn in der zentralen Arktis gibt es nur wenige meteorologische Messstationen. Deshalb werden im Rahmen von HALO-(AC)³ drei deutsche Messflugzeuge zur Beobachtung der Luftmassen auf ihrem Weg in die Arktis hinein bzw. aus der Arktis heraus eingesetzt. Die große Reichweite der Flugzeuge wird genutzt, um die Veränderungen der Luftmassen mit Hilfe der sogenannten quasi-Lagrange‘schen Beobachtungsmethode zu charakterisieren. Bei dieser Art von Messung wird die Flugroute an die Zugrichtung der Luftmasse angepasst, um die Veränderungen von Wolken, Feuchtigkeit, Temperatur und vieler weiterer Parameter direkt zu vermessen. Die so gewonnenen Daten sollen zur Abschätzung der Genauigkeit von numerischen Wettervorhersagemodellen genutzt werden, die für die Vorhersage zukünftiger Änderungen des arktischen Klimas notwendig sind. Damit wird die Kampagne helfen, eine wichtige Wissenslücke in der Klimaforschung zu schließen, die auch der Weltklimarat IPCC im zweiten Teil seines aktuellen Sachstandsberichts aufzeigt.
Manfred Wendisch fasst die Zielstellung von HALO-(AC)³ zusammen: „Die Vorhersage der Zukunft des arktischen Klimas bleibt schwierig. Um zur Klärung wesentlicher Unsicherheiten bei der Projektion der zukünftigen Klimaentwicklung in der Arktis beizutragen, wollen wir unter Nutzung einer neuartigen Beobachtungsmethode eine umfangreiche Flugzeugkampagne durchführen, die HALO-(AC)³-Kampagne.“
Koordinierte Messflüge mit drei Forschungsflugzeugen
Drei deutsche Forschungsflugzeuge werden für die HALO-(AC)³-Messungen eingesetzt: Zum einen ist dies HALO (High Altitude and Long Range Research Aircraft), ein modernes Forschungsflugzeug, welches vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betrieben wird. „HALO wird in größeren Höhen als Fernerkundungsplattform operieren, denn es ist in der Lage, in Höhen von bis zu 15 Kilometern lange Strecken von bis zu 10.000 Kilometern zurückzulegen“, erklärt Dr. Andreas Minikin von der DLR-Einrichtung Flugexperimente. Zum anderen werden, in Kombination mit HALO, die zwei Polarflugzeuge Polar 5 und Polar 6 in geringeren Höhen die Luftmassen detailliert vermessen. Die beiden Polarflugzeuge kommen unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) bereits seit mehr als zehn Jahren in der Arktis zum Einsatz. Ergänzend zu HALO messen die Polarflugzeuge in einem Höhenbereich unterhalb von sechs Kilometern und können dabei Strecken von 1.500 bis 2.000 Kilometern zurücklegen. Dr. Andreas Herber, Wissenschaftler am AWI und Koordinator von Polar 5 und Polar 6, ergänzt: „Die Reichweite der Polarflugzeuge ist zwar geringer, aber ein wesentlicher Vorteil dieser Forschungsflieger besteht darin, dass sie langsam und tief fliegen können und damit eine Momentaufnahme von ganz speziellen Prozessen in, unter und über Wolken beziehungsweise in der planetaren Grenzschicht messtechnisch erfassen können.“
Die Flugzeuge sind mit hochmodernen Instrumenten ausgestattet, mit denen die gesamte Atmosphäre vom Boden bis in zehn Kilometern Höhe charakterisiert werden kann. Zu den wichtigsten Messparametern zählen Wolkeneigenschaften, Temperatur- und Feuchtigkeitsprofile, Energieflüsse und Eigenschaften von Aerosolpartikeln und Spurengasen. Prof. Dr. Susanne Crewell, Atmosphärenforscherin an der Universität zu Köln, erläutert: „Durch die Koordinierung der Flugmuster der drei Flugzeuge können wir die Luftmassen bei ihrer räumlichen und zeitlichen Entwicklung verfolgen. Die Messungen ermöglichen es, feinste Wolkenstrukturen bis hin zu einzelnen Wolkenpartikeln näher zu betrachten und den Einfluss des Arktischen Meereises auf die Wolkeneigenschaften zu erforschen. Die Kombination der verschiedenen Messungen ermöglicht es uns, ein nahezu vollständiges Bild der untersuchten Luftmasse zu erhalten.“ Wichtige Helfer hierbei sind die sogenannten Dropsonden, die von den Flugzeugen abgeworfen werden und an kleinen Fallschirmen zu Boden gleiten. Auf ihrem Weg durch die Atmosphäre liefern sie Messungen von Temperatur, Luftdruck und Feuchte.
Parallel zu den Flugzeugmessungen erfolgen Profilmessungen mit einem Fesselballon an der AWIPEV-Forschungsstation des AWI nahe Ny-Ålesund auf Spitzbergen durch das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) und die Universität Leipzig. Dabei werden neben meteorologischen Parametern auch kleinskalige Austauschprozesse, die Strahlung sowie Aerosolparameter vom Boden bis in ein Kilometer Höhe untersucht. Diese Messungen wurden erstmals im Herbst 2021 beim Übergang in die Polarnacht durchgeführt und werden nun beim Übergang in den Polartag wiederholt, um kontinuierliche Bodenmessungen mit den Flugzeugmessungen zu verknüpfen. Messungen mit bodengestützten Fernerkundungsinstrumenten an der AWIPEV-Forschungsstation sowie neueste Satelliten-Fernerkundungsmethoden und modernste numerische Klimamodelle werden den umfangreichen Datensatz der HALO-(AC)³-Kampagne außerdem vervollständigen.