Neuer Mechanismus soll CO2-Preise stabilisieren
Nach Jahren der Sorge über niedrige CO2-Preise beschäftigt heute das Gegenteil die europäische Politik: Der Preis von Emissionsrechten hat sich innerhalb von zwei Jahren vervierfacht, begleitet von heftigen Kursschwankungen. In den aktuellen Verhandlungen um die Reform der EU-Klimapolitik im Zusammenhang mit dem Green Deal dreht sich die Debatte um geeignete Mittel, solche heftigen Preisausschläge in Zukunft zu verhindern.
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Ein Mitte 2021 von der EU-Kommission vorgelegter Reformvorschlag für den bestehenden Emissionshandel in den Sektoren Energie und Großindustrie (ETS-1) sowie ein neu einzurichtender Emissionshandel für Verkehr und Gebäude (ETS-2) sehen jeweils ähnlich gestrickte Mechanismen vor, um den Preis zu stabilisieren. Professor Grischa Perino und Dr. Maximilian Willner forschen als Umweltökonomen im Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) an der Universität Hamburg. Sie zeigen, dass die vorgeschlagenen Eingriffe nicht geeignet sind, den Markt für Emissionsrechte zu stabilisieren.
Die Autoren nennen fünf Prinzipien für ein robustes und wirkungsvolles Design eines Mechanismus zur Preisstabilisierung: Kontinuität, Vorhersehbarkeit, Symmetrie, Synchronität und Inflationsbereinigung. Perino und Willner haben den vorliegenden Kommissionsvorschlag auf diese Prinzipien hin untersucht. Das Resultat ist eindeutig: In der aktuellen Form ist der Entwurf nicht in der Lage, den Markt für Emissionsrechte und somit auch den Preis zu stabilisieren. Vielmehr könnte der Vorschlag das Gegenteil bewirken: Marktteilnehmende könnten zusätzlich verunsichert werden.
Die Forscher schlagen einen neuen, auf den fünf Prinzipien basierenden Price Containment Mechanism (PCM) vor. Der PCM versucht nicht, spezifische Preise zu erreichen oder vorzugeben – der Markt wird in seiner Funktion also nicht beeinträchtigt. Der PCM ist ein völlig automatischer Mechanismus, der Marktteilnehmenden wie politischen Entscheidungsträger:innen einen klaren Rahmen bietet und die Erwartungsbildung unterstützt.
Konkret vergleicht der PCM den Durchschnittspreis pro Emissionsrecht aus dem jeweils vorangegangenen Quartal mit dem des Vorjahres. Bei einer Preisänderung jenseits einer fixen Aktivierungsschwelle, z.B. +/- 20%, gibt er Emissionsrechte im kommenden Quartal zu den Auktionen hinzu oder hält sie zurück. Dabei passt der PCM die Interventionsmenge kontinuierlich an die beobachtete Preisveränderung an, sodass kleine Unterschiede nicht zu einem plötzlichen Sprung im Umfang des Markteingriffs führen. Anders als die bestehenden Vorschläge ist der PCM zudem symmetrisch und kann auch einen Preisverfall dämpfen.
Ein weiterer Punkt ist die Synchronisierung der Markteingriffe an die jährlich sinkende Emissionsobergrenze des EU-EHS und die fortlaufende Anpassung an die Inflation. Mit dieser Flexibilität kann der PCM längerfristig Stabilität in den Markt bringen. Der PCM ist zudem auch eine lohnenswerte Alternative für die bestehende Marktstabilitätsreserve, da er ihre Funktionen vollständig ersetzen kann.
Mit diesem Vorschlag legen Willner und Perino den Grundstein für eine Reform des EU-EHS, welche die zunehmend offensichtlicher werdenden Design- und Strukturprobleme des Systems nachhaltig korrigiert.
Publikation CEN Policy Brief:
Willner M, Perino G: An Upgrade for the EU ETS: Making Art. 29a and 30h fit for effective price containment (pdf)