Inselstaaten können auch etwas gegen die Effekte des Klimawandels tunInterview mit Geografin Prof. Dr. Beate Ratter
16. November 2017, von CEN Universität Hamburg
Foto: UHH/Schöttmer
Mit Fidschi hat ein Inselstaat die Präsidentschaft der diesjährigen UN-Klimakonferenz (COP23) inne, der schon jetzt gegen die Folgen des Klimawandels zu kämpfen hat: 45 Dörfer müssen wegen des Anstiegs des Meeresspiegels verlegt werden. Prof. Dr. Beate Ratter forscht zu Anpassungsstrategien kleiner Inselstaaten an den Klimawandel. Im Interview erklärt die Geografin, dass der Meeresanstieg nicht das größte Problem der kleinen Inselstaaten darstellt.
Worin sehen Sie angesichts des Klimawandels das größte Problem für kleine Inselstaaten?
Angesichts des Klimawandels fallen mir für kleine Inselstaaten mehrere Probleme ein, die je nach Lage und Ausstattung der Insel unterschiedlich stark ausfallen können. Vor allem die Zunahme an Intensität und Häufigkeit von starken Stürmen kann lebensbedrohlich werden. Stürme und die begleitenden Regenmassen sind ein Problem für Inselbevölkerungen, die keine finanziellen und technischen Möglichkeiten haben, sich dagegen zu wappnen.
Ein Anstieg des Meeresspiegels und eine damit einhergehende Zunahme an starkem Wellengang, die in Überflutungen münden, wird zu dramatischen Folgen führen.
Aber auch das langfristige Eindringen von Salzwasser in die wenigen begrenzten Süßwasserlinsen auf flachen Koralleninseln sind ein sehr großes Problem für die Frischwasserversorgung.
Und auch die Zerstörung der Korallenriffe durch die Erwärmung der Meere und eine damit einhergehende sogenannte Korallenbleiche ist für tropische Koralleninseln und Atolle fatal. Darüber hinaus setzten Meeresverschmutzung und Müll im Meer den Korallen zu. Korallen sind ein wichtiger natürlicher Schutz gegen die Kräfte des Meeres. Wenn der zerstört wird, dann greift die Erosion direkt an den Inseln an.
Welche Inseln sind besonders bedroht vom Meeresspiegelanstieg?
Generell lässt sich das nicht sagen, denn zum Beispiel die Insel Shishmaref in Alaska ist von anderen Dingen bedroht als das Addu Atoll in den südlichen Malediven. Der Norden der Malediven leidet zunehmend unter Regenmangel, während der Süden in einem starken Monsunsommer wie 2017 mit schweren Überschwemmungen konfrontiert ist.
Jede Insel, jeder Raum hat seine eigenen Bedrohungen. Eine flache Koralleninsel, die nur wenige Meter über dem jetzigen Meeresspiegel liegt, wird unter zunehmendem Wellenschlag, Küstenerosion und Überflutungen zu leiden haben.
Eine Insel mit Steilküste ist gegen den direkten Strandabtrag zwar gefeit, aber die zunehmende Erosion wird auch an Steilküsten angreifen und den Siedlungsraum, die Häuser an der Küste oder die kritischen Infrastrukturen in Gefahr bringen.
Oder nehmen wir St. Helena im Süd-Atlantik, dort wird bei zunehmenden Seegang das Anlanden der Versorgungschiffe immer schwieriger und auch der neue Flughafen kann bei starken Stürmen nicht angeflogen werden.
Und was kann man dagegen tun?
Zum Beispiel wäre es wichtig, Gebäude, Straßen und Hotelanlagen nicht direkt am Strand zu bauen, um sie gegen die fortschreitende Erosion und gegen Überschwemmungen zu schützen. Und es würde auch helfen, wenn man Feuchtgebiete und Mangrovenwälder unter Schutz stellt, denn diese Grenzräume zwischen Meer und Land sind natürliche Pufferzonen und sollten nicht bebaut oder abgeholzt werden.
Wie viel hängt zur Bekämpfung des Klimawandels eigentlich am internationalen Einigungsprozess? Und was kann die Bevölkerung in den vom Meeresanstieg bedrohten Regionen machen?
Ich fürchte, beim Welt-Klimagipfel spielen zu viele unterschiedliche nationalstaatliche und wirtschaftliche Interesse eine Rolle, als dass wir eine schnelle Einigung erwarten könnten.
Die Bevölkerung in den vom Meeresspiegel bedrohten Regionen kann bis zu einem gewissen Grad etwas tun: Selbstvorsorge, die allerdings an die Gegebenheiten angepasst sein muss. Eine Strandmauer zu bauen vergrößert z.B. meist die Erosion, anstatt sie einzudämmen. Und den Sandstrand abzutragen, um Häuser zu bauen, stellt kleine Inseln zusätzlich vor Probleme.
Viel wichtiger fände ich aber, dass die zuständigen Regierungen nicht nur die Schuld im Klimawandel suchen, sondern auch darauf achten, was in Raumplanung, Investitionslenkung und Korruptionsbekämpfung getan werden kann, damit die Klimawandeleffekte nicht noch stärker werden und die eigene Bevölkerung nicht noch mehr leiden muss.
Welche Folgen des Klimawandels können wir bereits jetzt an der Nordseeküste, also vor unserer eigenen Haustür, feststellen und auf was müssen wir uns vorbereiten?
Wir sind an der Nordseeküste gegen Sturmfluten und Meeresspiegelanstieg für die nächsten Jahrzehnte sehr gut gewappnet. Darin haben wir jahrhundertelange Erfahrung, das technische Know-how, die finanziellen Ressourcen und einen funktionierenden Küstenschutz. Die historischen Katastrophen und auch die Sturmflut von 1962 haben hier geholfen.
Der Kampf gegen das Meer ist nicht nur im kollektiven Gedächtnis verankert, sondern fordert auch den staatlichen Küstenschutz immer besser zu werden. Die jüngste Deichertüchtigung, z.B. in Büsum oder auf Nordstrand in Schleswig-Holstein, hat den sogenannten "Klimadeich" eingeführt, der ist noch breiter und noch flacher und hat einen Aufbaupuffer. Falls der anrauschende Wellenschlag noch höher ausfällt als derzeitig angenommen, kann man oben aufsetzen, ohne dass am Deichunterbau was verändert werden muss. Aber vielleicht liegt hier auch das zukünftige Problem.
Die Menschen an der Nordseeküste verlassen sich auf den staatlichen Küstenschutz, aber wie wir mit Wasser vom Hinterland umgehen, mit überschwemmenden Zuflüssen, mit Starkregenereignissen, die die jetzige Kanalisation überfordern, oder mit Hagelereignissen, die Fenster und Wintergärten zerstören, das müssen wir noch lernen.
Dieser Artikel erschien zuerst im Newsroom der Universität Hamburg.