Die Regenfänger draußen auf dem Ozean
2. Oktober 2017, von Franziska Neigenfind
Foto: UHH/C. Klepp
Achtzig Prozent der weltweiten Niederschläge fallen über den Meeren, die eine Schlüsselrolle für das Klima spielen. Doch wie misst man Regen und Schnee auf offener See? Der Geowissenschaftler Christian Klepp entwickelt einen neuen Datensatz mit umfangreichen Messungen, die er mit speziellen Geräten an Bord von Forschungsschiffen durchführt. Damit schließt er eine Forschungslücke und liefert auch einen wichtigen Baustein, damit Satellitendaten präziser werden.
„Wie eine Wand aus Wasser! Es schüttete so sehr, dass ich meine Hand am ausgestreckten Arm nicht sehen konnte“, so berichtete ein Besatzungsmitglied des Forschungsschiffs Meteor von einem heftigen Tropenschauer vor der Küste Guineas. Zur selben Zeit, am 14. September 2015, war auch eines meiner Messgeräte an Bord. Es zeichnete mehr als 40 Liter Regen pro Quadratmeter in 20 Minuten auf. Der Wolkenbruch über dem Meer muss gewaltig gewesen sein. Zum Vergleich: Eine Unwetterwarnung in Deutschland erfolgt bei acht Litern Regen pro Quadratmeter in derselben Zeit.
Das extreme Messergebnis ist Teil eines neuen Datensatzes der Weltozeane, den ich am Exzellenzcluster für Klimaforschung der Universität Hamburg entwickle. Mein Projekt OceanRAIN schließt eine Forschungslücke, denn der Niederschlag über dem Meer wurde bislang nicht präzise und umfassend von Schiffen aus gemessen. Doch rund 80 Prozent aller Niederschläge fallen über den Ozeanen. Die Meere spielen also eine Schlüsselrolle für den Wasserkreislauf im Klimasystem. Dazu gehört vor allem auch die Verdunstung, die wir ebenfalls messen.
Ein globales Bild liefern dabei spezielle Satelliten. Sie bestimmen den Niederschlag indirekt über ein gemessenes Strahlungsfeld. Dazu sind Rechenvorschriften nötig – Algorithmen, die das Strahlungsfeld in Niederschlag umrechnen. Weltweit erstellen zahlreiche Forschungsinstitute solche Algorithmen. Ihnen fehlten bisher jedoch hochqualitative Schiffsmessungen des Niederschlags über den Ozeanen. Mit deren Hilfe lassen sich die Satellitendaten jetzt erstmals überprüfen, kalibrieren und verbessern: Die Satelliten sind dann richtig eingestellt, wenn sie das erzeugen, was unsere Geräte gemessen haben. So lassen sich auch Klimamodelle verbessern, die wiederum mit den Satellitendaten geprüft werden.
Bislang fehlten Messungen über den Ozeanen, weil es keine geeigneten Geräte für den Einsatz auf Schiffen gab. Während an Land spezielle Messtöpfe den Regen – und mit Unsicherheiten auch Schnee – auffangen, erfordern die Messungen an Bord eine andere Methode. Denn hier fegt der Wind den Niederschlag häufig über die Behälter hinweg, sodass sie leer bleiben. Auf dem Schiff sind die Töpfe mehr Bewegungen ausgesetzt – zum Beispiel starkem Fahrtwind oder zusätzlichen Turbulenzen durch die Aufbauten an Deck.
Die Lösung bietet ein elektronisches Gerät, mit dem ich Menge und Art des Niederschlags ermitteln kann: ein optisches Distrometer. Es registriert jeden einzelnen Regentropfen und jede Schneeflocke und bildet dabei quasi jeweils eine Schattenfläche ab. Zusammen mit dem Hersteller habe ich das Gerät für den automatischen Betrieb immer weiter optimiert. Den bisherigen Satellitendaten ist es sogar überlegen, weil es zwischen Regen, Schnee und Mischphasen unterscheidet. Mit einem Distrometer konnten wir auch Schneefall bei minus vierzig Grad präzise messen. Es erfasst Niederschlag in 128 verschiedenen Partikelgrößen von 0,1 bis 22 Millimeter Durchmesser.
Mittlerweile fahren weltweit vierzehn Schiffe mit unseren Distrometern. Die längste kontinuierliche Datenserie sammelte der Eisbrecher Polarstern: Sieben Jahre lang hat das Distrometer Regen, Schnee und Mischphasenniederschlag vom Nordpolarmeer bis zur Antarktis aufgezeichnet. Vor Beginn meines Projekts gab es insgesamt nur etwa 10.000 Regenmessungen über den Weltmeeren in vergleichsweise geringer Qualität. Inzwischen haben wir mehr als sieben Millionen Messungen durchgeführt, von denen etwa zehn Prozent Niederschlag enthalten. Diese stellen wir der Fernerkundung und Klimaforschung zur Verfügung – und der Datensatz wächst weiter.
Dieser Artikel erschien am 20. September 2017 als Gastbeitrag im Hamburger Abendblatt.
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