Kleine Inseln sind Opfer des Klimawandels, aber auch der eigenen Entscheidungen
29. August 2017, von CEN Universität Hamburg
Foto: UHH/CEN/B. Ratter
Zum ersten Mal übernimmt im November mit Fidschi ein kleiner Inselstaat die Präsidentschaft des Klimagipfels. Prof. Beate Ratter erforscht den Umgang kleiner Inseln mit den Folgen der Erderwärmung. Ihr Fazit: Was Regierungen kleiner Inseln auf internationalem Parkett anmahnen, stimmt mit ihrem nationalen Handeln nicht immer überein.
Kleine Inselstaaten gelten als besonders gefährdet, wenn es um die Folgen des anthropogenen Klimawandels geht. Sie sind nicht nur von starken Stürmen betroffen und durch den Anstieg des Meeresspiegels bedroht, sondern leiden je nach Lage auch unter schwindenden Frischwasserressourcen und Küstenerosion.
Einige Inselregierungen haben es in den letzten Jahren besonders gut verstanden, auf ihre schwierige Situation als Opfer des Klimawandels international aufmerksam zu machen. Ich betone bewusst Regierungen, denn hier geht es um die politische Agenda. Die Lage in den so genannten Small Island Developing States (SIDS) ist aber häufig differenzierter zu betrachten. Zwar lassen sich die Auswirkungen der globalen Klimaveränderungen für Inselstaaten nicht leugnen – jedoch sind manche Effekte auch hausgemacht. Eine sinnvolle Bewältigung der Klimafolgen, erfordert daher mehr als detaillierte Kenntnisse des Klimasystems.
Auf den Bahamas zum Beispiel, das ergaben unsere Untersuchungen, bringt die Bevölkerung nur sehr eingeschränkt Verständnis für die Folgen des Klimawandels auf und die Politik orientiert sich überwiegend an ökonomischen Aspekten: so werden ökologisch wichtige Salzmarschen als Müllplätze missbraucht oder müssen dem Bau von Ferienwohnungen durch internationale Investoren weichen – trotz aller Erkenntnisse über ihre Funktion als Retentionsflächen im Küstenschutz. Tourismus ist der wichtigste Wirtschaftssektor, dem die Regierung die Aussichten auf eine nachhaltige Entwicklung opfert. Was auf internationalem Parkett angemahnt wird, stimmt mit nationalem Handeln nicht immer überein. So verkündete der damalige Premierminister nur drei Tage nach dem Klimaabkommen von Paris, dass er Ölbohrungen auf der Bahamas-Bank zulassen werde.
Küstenschutz ist auch auf der Inselgruppe der Komoren ein Thema, wo wir die negativen Auswirkungen von legalem und illegalem Sandabbau an den Küsten Anjouans untersuchen. Für die Erosion im Küstenraum macht die dortige Zentralregierung vornehmlich den steigenden Meeresspiegel verantwortlich, wirbt entsprechend internationale Hilfsgelder ein und finanziert damit den Bau langer Strandmauern. Diese Form des Küstenschutzes ist jedoch häufig kontraproduktiv, da sie die Erosion je nach Lage und Ausführung sogar noch verstärkt.
Ein drittes Beispiel sind die Malediven, wo der ehemalige Präsident 2009 medienwirksam eine Kabinettsitzung unter Wasser abhielt, um auf die Bedrohung durch den Klimawandel aufmerksam zu machen. Hier untersuchen wir Potenziale für alternative Küstenschutzmaßnahmen. Aufschlussreich ist dabei eine Fallstudie auf der Insel Fuvahmulah im Süden: Jahrelang wartete die Bevölkerung auf einen neuen, sicheren Hafen. Als 2003 endlich gebaut wurde, stellten sich gravierende Probleme ein: Durch die politisch motivierte Entscheidung der nationalen Regierung, den Hafen an einer küstendynamisch hochproblematischen Stelle zu bauen, wurde der Sand entlang der Ostküste inzwischen komplett abgetragen. Um die fortschreitende Erosion zu mindern, stehen weitere Maßnahmen an, die mit Hilfe internationaler Unterstützung durchgeführt werden sollen – aller Voraussicht nach aber weitere Probleme für die Küste mit sich bringen werden.
Nationale politische Interessen und lokale Bedürfnisse stehen häufig im Missverhältnis. Es darf daher nicht nur darum gehen, wie sich das Klima ändert und was dies für kleine Inseln bedeutet. Entscheidend ist auch, wie Interessen zwischen Regierung und lokaler Bevölkerung ausgehandelt werden und welche Bereitschaft in der Politik und in der Bevölkerung vorhanden ist, sich mit den Folgen des Klimawandels als gesamtgesellschaftliche Aufgabe auseinanderzusetzen. Und nicht zuletzt, inwieweit die internationale Staatengemeinschaft bei nationalen und lokalen Belangen Position bezieht.
Der Text ist als Erstes in der Kolumnen-Reihe des Deutschen Klima-Konsortiums (DKK) erschienen.
Prof. Dr. Beate Ratter ist Professorin für Integrative Geographie und Küstenforschung am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg und Vizepräsidentin der International Small Island Studies Association (ISISA). Am Helmholtz-Zentrum Geesthacht leitet sie die Abteilung Sozioökonomie des Küstenraums. Im Oktober erscheint ihr jüngstes Buch „Geography of Islands – Outposts of Globalisation“ im Springer Verlag.