Wie kleine Mixer im Meer: Offshore-Windräder
17. August 2017, von Dr. Jens Floeter
Foto: UHH/CEN/Floeter
Vor der deutschen Küste schießen sie wie Pilze aus dem Boden: Offshore-Windparks. Dutzende Windräder, jedes über 100 Meter hoch, erzeugen Strom aus erneuerbaren Energien für unsere Haushalte. Aber stören solche Anlagen das Ökosystems im Meer? Oder haben sie sogar positive Auswirkungen?
Um diesen Fragen nachzugehen, untersuchen wir zwei Parks nördlich der ostfriesischen Küste. Einmal pro Jahr kreuzen wir mit dem Forschungsschiff Heincke durch diese Offshore Windparks. Auf den zweiwöchigen Expeditionen haben wir immer unser Sensorsystem Triaxus im Schlepptau. Dieses ist mit verschiedenen Messgeräten ausgestattet und bewegt sich selbstständig zwischen der Oberfläche und dem Meeresgrund auf und ab. Es misst unter anderem die Temperatur des Wassers und die Konzentration von Phytoplankton, das sind winzig kleine Algen.
Die beiden Windparks erstrecken sich über eine Fläche von mehr als 10.000 Fußballfeldern. Mit ihren Turbinen decken sie zusammen den Strombedarf von rund 800.000 Haushalten für ein Jahr. Zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen des Centrums für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg, des Helmholtz-Zentrums Geesthacht und der Universität Oldenburg durften wir schon vor der Inbetriebnahme die ersten Daten erheben – denn auch die Fundamente der Windräder könnten die Strömung des Wassers beeinflussen.
Unsere Daten bestätigen diese Vermutung: Auf der strömungsabgewandten Seite der Fundamente kommt es zu Verwirbelungen, ähnlich wie hinter einem Brückenpfeiler in einem Fluss. Sie wirken wie kleine Mixer im Meer – durch die Verwirbelungen steigert sich die Durchmischung des Wassers und die übliche „Schichtung“ wird schwächer. Denn normalerweise ist das Wasser dort im Sommer in eine wärmere Schicht oben und eine darunter liegende kältere Schicht getrennt. Wir kennen das Phänomen vom sommerlichen Bad in einem See: Die Füße paddeln manchmal in deutlich kälterem Wasser als der Oberkörper.
Zwischen beiden Schichten findet normalerweise nur wenig Austausch statt. Da die Mikroalgen schon im Frühling viele der Nährstoffe in der oberen Schicht aufgebraucht haben, vermehren sie sich im Sommer normalerweise nur langsam. Durch die Verwirbelungen werden jetzt Nährstoffe aus den tieferen Wasserschichten in die Deckschicht transportiert und die kleinen Algen können sich schneller vermehren. Wir konnten regelrechte „Phytoplankton – Säulen“ finden, Wassermassen mit mehreren hundert Metern Durchmesser und besonders hohen Algen-Konzentrationen. Jetzt wollen wir herausfinden, wie diese Säulen genau entstehen und welche Effekte sie haben.
Denkbar wäre, dass von diesen erhöhten Algen-Konzentrationen zum Beispiel das Zooplankton profitiert. Zu diesem gehören zum Beispiel mikroskopisch kleine Krebstiere. Diese ernähren sich von den Mikroalgen des Phytoplankton. Wenn ja, könnten auch Fische, die Zooplankton fressen, einen reich gedeckten Tisch zwischen den Windrädern vorfinden. Auch größere Fische wie der Kabeljau, die andere Fische fressen, könnten auf diese Weise von dem eventuell erhöhten Beuteangebot profitieren. Die Parks könnten also ein Refugium für verschiedene Fischarten werden und sich so positiv auf das Ökosystem auswirken. Auch der Wind, der durch die Rotoren abgebremst wird, könnte die sommerliche Schichtung des Wassers auf einer Fläche die wesentlich größer als der Windpark selbst ist, verändern. Um diesen Effekten auf die Spur zu kommen, wollen wir wieder hinaus aufs Meer: Im September ist die nächste Seereise geplant.
Dieser Artikel erschien am 14. August 2017 als Gastbeitrag im Hamburger Abendblatt.
Dr. Jens Floeter ist Biologe und Experte für Fischereiwissenschaft.