„Der Atmosphäre beim Blinzeln zuschauen“
8. August 2016, von CEN Universität Hamburg
Foto: DLR
Am 08. August starten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Hamburg und des Max-Planck-Instituts für Meteorologie zu einer rund dreiwöchigen Messkampagne nach Barbados/Karibik. Ziel ist es, Wolken und deren Formation in der Atmosphäre zu vermessen. Das Forschungsflugzeug „Halo“ (High Altitude and Long Range Research Aircraft) wurde hierfür mit spezieller Technik ausgerüstet. Der Meteorologe Felix Ament ist einer der Koordinatoren und wird für das Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität mit an Bord sein.
Am 08. August starten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Hamburg und des Max-Planck-Instituts für Meteorologie zu einer rund dreiwöchigen Messkampagne nach Barbados/Karibik. Ziel ist es, Wolken und deren Formation in der Atmosphäre zu vermessen. Das Forschungsflugzeug „Halo“ (High Altitude and Long Range Research Aircraft) wurde hierfür mit spezieller Technik ausgerüstet. Der Meteorologe Felix Ament ist einer der Koordinatoren und wird für das Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität mit an Bord sein:
Prof. Ament, die Messungen sollen helfen, mehr über das Zusammenspiel von Wolken und Zirkulation in der Atmosphäre zu erfahren. Warum ist das so wichtig?
Wolken sind nicht nur schön anzusehen, sie sind auch ein Spiegel der Bewegungen in der Atmosphäre. Sie formieren sich dort, wo Luftmassen zusammenfließen. Gleichzeitig spielen Sie eine wichtige Rolle im Wärmehaushalt, in dem Sie die Erde abschatten – also kühlen – oder aber warm halten, weil sie eine Abstrahlung von Wärme vom Erdboden zurück ins All verhindern.
Eine der Theorien, die wir überprüfen wollen, ist eine Art Iris-Effekt: Erwärmt sich die Luft im Zuge des Klimawandels, kommt nicht nur mehr Feuchtigkeit, sondern auch zusätzliche Bewegung in die Atmosphäre. Womöglich ballen sich Wolken stärker zusammen, was gleichzeitig bedeutet, dass die wolkenfreie Fläche größer wird. Dann kann mehr Wärme ins All abgegeben werden und die Erderwärmung würde etwas abgemildert.
CEN Meteorologe Prof. Felix Ament erforscht mit speziellen Messgeräten die Entwicklung von Feuchteprozessen in der Atmosphäre und die Entstehung und innere Struktur von Wolken. (Bilder: UHH/CEN)
So wie unsere Augen automatisch auf mehr oder weniger Licht reagieren und sich die Pupille anpasst. So passen sich Wolken an den Klimawandel an?
Ja, das könnte man sagen. Indem wir Forscher die Wolkenbildung und die Luftbewegungen messen, schauen wir der Atmosphäre gewissermaßen beim Blinzeln zu. Uns interessiert: Wie entwickeln sich Wolken, wie organisieren sie sich und aufgrund welcher Luftströmungen? Wie viel Blau, wie viel Weiß finden sich am Himmel unter welchen Bedingungen?
Kommt der Klimawandel also doch nicht?
Der Klimawandel ist schon da. Atmosphäre und Ozean haben sich bereits nachweisbar erwärmt. Es geht aber natürlich darum, die bevorstehenden Veränderungen zu quantifizieren, einzuschätzen, was uns konkret erwartet. Das wichtigste Werkzeug hierfür sind Klimamodelle, das heißt Berechnungen über die physikalischen Veränderungen in den nächsten hundert, fünfzig oder auch zwanzig Jahren. Und hierfür müssen wir unter anderem wissen, welche Rolle Wolken dabei spielen. Auch der letzte Weltklimabericht nennt Wolken als eine der größten noch bestehenden Unsicherheiten im System.
Die bevorstehenden Messflüge sind Teil einer dreiteiligen Mission: Für NARVAL 1 (Next-Generation Aircraft Remote-Sensing for Validation Studies) waren Sie im Winter 2013/14 unter anderem auf Island. Was steht diesmal im Fokus?
Ausgangsbasis ist diesmal ausschließlich Barbados. Das liegt unter anderem daran, dass die Max-Planck-Gesellschaft hier ein Observatorium betreibt und wir die Daten aus dem Flugzeug dann direkt mit den dortigen Messungen vom Boden aus vergleichen können. Während die Kollegen die Wolken von unten betrachten, blicken wir von oben auf die Wolke, fliegen drum herum und decken ein viel größeres Gebiet ab.
Bei Narval 1 ging es außerdem grob gesagt darum, die innere Struktur der Wolken zu verstehen. In der zweiten Phase wenden wir uns jetzt zusätzlich ihrer unmittelbaren Umgebung zu. Dafür werden die Wolken kleinräumig umflogen und so genannte Dropsonden abgeworfen, die uns Angaben zu Druck, Temperatur und Feuchte liefern. Die Sonden sind außerdem so leicht, dass sie mit dem Wind verdriftet werden und wir können so die Strömung erfassen. Für 2020 ist dann unter dem Label EUREC4A ein dritter Teil geplant. Dort arbeiten wir, wie der Name schon andeutet, mit mehreren Flugzeugen noch stärker international zusammen.
Lassen sich die Erkenntnisse aus Barbados auf unsere Breiten übertragen?
Ja, die Physik ist überall auf der Welt gleich. Nichtsdestotrotz sind Barbados bzw. der äquatoriale Atlantik für die Messungen besonders geeignet. Durch die Wärme organisieren sich die Wolken schnell zu Clustern zusammen. Dazu kommt, dass mehr als zwei Drittel der Erdoberfläche von Wasser bedeckt sind. Das Verhalten von Wolken über Wasser zu untersuchen, ist daher interessanter als über Land. Und die Insel ist klein genug, so dass es da nicht zu verfälschenden Effekten kommt. Und schließlich sind die Verhältnisse rund um den Äquator auch besonders relevant. Die Erde ist hier am dicksten, global gesehen liegt hier der größte Anteil der Erdoberfläche.
Und wie genau vermisst man nun Wolken? Wie geht das konkret vor sich?
An Bord haben wir unter anderem ein Wolkenradar, das elektromagnetische Radiowellen aussendet und Informationen zur Position und Form der Wolken gibt. Dazu kommt ein Mikrowellenradiometer. Mikrowellen haben den Charme, dass sie uns aus dem Inneren der Wolken, die je nach Wellenlänge in bestimmten Bereichen mehr oder weniger durchsichtig sind, differenzierte Daten liefern. Wir erfahren so, wo sich wie viel Wasser in der Wolke befindet oder auch Eis. Und schließlich ein Lidar –das funktioniert wie ein Radarsystem, nur wird hier Licht ausgesandt – das uns die atmosphärische Feuchte angibt.
Interessant ist dabei auch das Zusammenspiel der Instrumente: Was das eine System schon „sieht“, ist bei dem anderen erst später erkennbar und während der erste Kollege eine neue Wolke auf dem Bildschirm meldet, winkt der zweite bereits gelangweilt ab.
Wie muss ich mir das vorstellen? Ein Flugzeug vollgestopft mit Instrumenten und die Forscher irgendwo eingeklemmt dazwischen?
Anders als in anderen Forschungsflugzeugen, haben wir es an Bord von Halo relativ komfortabel. Es handelt sich um eine Gulfstream G550, also einen umgebauten Business Jet. Die Kabine ist immerhin gute zehn Meter lang und da lässt sich einiges unterbringen. Stehhöhe ist knapp 1,80 Meter. Da ich durchschnittlich groß bin, muss ich mir also nicht den Hals verrenken. Der Innenraum ist natürlich nicht ausgebaut, und wir blicken direkt auf die spärlichen Verkleidungen. Im hinteren Teil finden sich aber immerhin noch sechs Sitzplätze. Diese dann auch tatsächlich in Leder (schmunzelt).
Wie lange dauern die einzelnen Flüge?
Wenn das Wetter es zulässt, fliegen wir jeden zweiten Tag, jeweils etwa acht Stunden. Damit das reibungslos funktioniert und die Piloten ihre vorgeschriebene Flugzeit nicht überschreiten, brauchen wir außerdem noch ein Unterstützungsteam. Diese Kollegen stehen dann bereits um drei Uhr auf und werfen noch vor Tagesanbruch die Instrumente an. Genau dasselbe dann wieder nach unserer Rückkehr am Abend. Das sind lange Tage, aber natürlich ist eine solche Kampagne auch ein besonderes Erlebnis.
Haben Sie da auch Zeit mal rauszuschauen?
Ich muss! Visuelle Beobachtung gehört natürlich auch dazu. Außerdem stehen wir in der Kabine über Intercom in permanentem Kontakt mit den Piloten vorn, um Kurskorrekturen zu erbitten und um bestimmte Kurven oder Wendemanöver einzuleiten.
Der Blick aus dem Flugzeugfenster lohnt sich immer. Vom wissenschaftlichen Interesse einmal abgesehen, sind Wolken für mich außerdem auch nach wie vor etwas sehr Ästhetisches. Im Übrigen hat man als Forscher ja nicht täglich die Gelegenheit dem Gegenstand seiner Untersuchungen so nah zu sein.
Das Interview führte Ute Kreis (CEN Presse- und Öffentlichkeitsarbeit)
Weitere Informationen
Das Forschungsflugzeug HALO
HALO ist eine Gemeinschaftsinitiative deutscher Umwelt- und Klimaforschungseinrichtungen. Gefördert wird HALO durch Zuwendungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Helmholtz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Leibniz-Gemeinschaft, des Freistaates Bayern, des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ, des Forschungszentrums Jülich und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Zum Fokusthema "Wolkenforschung" des Max-Planck-Instituts für Meteorologie
Zur Webseite von Prof. Felix Ament
Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an:
Ute Kreis
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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Telefon: 040 / 42838 4523
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