Auf der Welt gibt es mehr als drei Billionen Bäume
21. März 2016, von CEN Universität Hamburg
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Klimaforschung im Hamburger Abendblatt: Gastbeitrag von Peter Borchardt vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit zum Ökosystem in Kirgisistan.
Grüne Lunge, Luftfilter, Klimaanlage – Wälder sind wahre Multitalente und erfüllen wichtige Funktionen für das Klima: Sie wandeln Kohlendioxid in Sauerstoff um und reinigen die Luft. Baumkronen setzen Sonnenenergie in Wasserdampf um und haben dadurch einen kühlenden Effekt auf die Atmosphäre. Und Wälder speichern gigantische Mengen Kohlenstoff. Werden sie gerodet, so gelangt der Großteil als Kohlendioxid in die Atmosphäre. Intakte artenreiche Wälder sind besonders produktiv und binden große Mengen Kohlenstoff. Doch wie viele solcher Wälder wachsen eigentlich auf der Erde und wie viele Bäume gibt es insgesamt?
Um diese Fragen zu beantworten, haben meine Kollegen und ich einen ganz besonderen Wald in Kirgistan erforscht. In der ehemaligen Sowjetrepublik gibt es zwar insgesamt nur wenig Wald, doch in der Hochgebirgssteppe des Tien Shan-Gebirges befindet sich ein einzigartiges Ökosystem: die sogenannten Walnuss-Wildobst-Wälder mit etwa 180 verschiedenen Baum- und Straucharten. Hier wachsen große knorrige Walnussbäume neben wilden Äpfeln, Birnen und Pflaumen. Diese Wälder im Süden des Landes sind die größten ihrer Art weltweit.
Wie reagieren diese Landschaften auf den Klimawandel? Wie stark werden sie von den Menschen in der Region beansprucht? Dies haben wir untersucht und die Bäume gleichzeitig mithilfe von GPS und Maßband vermessen und gezählt. Unsere Kartierung in der abgelegenen Region ist Teil einer großen internationalen Studie, welche die Bäume auf der ganzen Welt erfasst. Über den gesamten Globus wurden dabei mehr als drei Billionen Bäume gezählt – das sind sieben Mal mehr als bisher angenommen.
Bisherige Schätzungen basierten lediglich auf Satellitenbildern. Diese sind jedoch häufig ungenau, da sie vor allem die Kronen der Bäume abbilden. Die jungen und kleineren Bäume in den niedrigeren Schichten werden dabei nicht erfasst. Deshalb vervollständigen Forstinventuren, Bodendaten sowie Kartierungen wie zum Beispiel unsere Erfassung von Vegetation und Landnutzung das Bild. Über 400.000 Datensätze aus 50 Ländern sind in die Studie eingeflossen. Jetzt können wir viel genauer sagen, wieviel Land mit Bäumen bedeckt ist und wie dicht diese Wälder sind.
Doch die überraschend hohe Zahl der Bäume ist nur die eine Seite der Medaille. Unsere Studie zeigt auf der anderen Seite auch, dass die Wälder weltweit in immer schnellerem Tempo verschwinden. Derzeit werden jährlich über 15 Milliarden Bäume verbrannt oder gefällt. Das belastet die Atmosphäre gleich doppelt: Zum einen entsteht direkt bei der Verbrennung das Treibhausgas Kohlendioxid. Zum anderen fehlen die Bäume als Kohlenstoffspeicher.
Auch die Walnusswälder im Tien Shan sind bedroht. Denn seit Auflösung der Sowjetunion werden sie sehr intensiv genutzt. Kirgistan ist arm, viele Menschen sind arbeitslos und schlagen illegal Bäume, um Brennholz zu gewinnen. Schafe und Ziegen grasen unter den Bäumen – eine enorme Belastung für den Wald. Die Tiere fressen dabei vor allem die Jungpflanzen, wodurch die Wälder überaltern. Um die Überweidung einzudämmen, schlagen wir Schritte hin zu einer nachhaltigen Landnutzung vor. Nur so können die einzigartigen Wälder in Zukunft besser geschützt werden.
Dr. Peter Borchardt forscht in der Arbeitsgruppe Biogeographie und Landschaftsökologie am Institut für Geographie der Universität Hamburg.
Mehr Informationen
- Zum NATURE Artikel „Mapping tree density at a global scale"
- Zum Projekt „Mensch-Umwelt-Interaktionen in Südkirgistan"
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