Barium in Mikrofossilien belegt Klimaänderungen im Mittelmeer
22. Juli 2015, von Franziska Neigenfind
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Neues aus der Klimaforschung: Einmal im Monat berichten Klimaforscher im Hamburger Abendblatt über aktuelle Erkenntnisse. Valerie Menke ist Geologin ...
Neues aus der Klimaforschung: Einmal im Monat berichten Klimaforscher im Hamburger Abendblatt über aktuelle Erkenntnisse. Valerie Menke ist Geologin und rekonstruiert mithilfe kleinster Lebewesen Klimaveränderungen der jüngeren Erdgeschichte des Mittelmeeres. Vor rund 10.000 Jahren führte eine Feuchtphase in Afrika zum Umkippen des östlichen Mittelmeeres. Wie kam es dazu?
Stecknadelkopfgroße Kalkschalen liegen unter meinem Mikroskop. Diese Überreste kleiner Urwesen sehen aus wie winzige Schnecken oder Muscheln. Die Mikrofossilien waren Jahrtausende lang im Boden des Mittelmeeres eingeschlossen, bis ein Forschungsschiff Bohrkerne aus dem Meeresboden nach oben beförderte und zu mir ans Institut für Geologie der Universität Hamburg schickte. Die Fossilien geben Auskunft über das Klima der jüngeren Erdgeschichte.
Für mein letztes Forschungsprojekt habe ich nach dem chemischen Element Barium in den Kalkschalen gesucht. Denn die Höhe des Bariumgehalts sagt mir, wie viel Süßwasser damals aus dem Nil ins Mittelmeer strömte und wie viel Regen im Einzugsgebiet des Nil fiel. So kommt Barium im Meerwasser nur in geringen Mengen vor, der größte Teil gelangt erst mit dem Süßwasserzufluss aus dem Nil dorthin. Je mehr Niederschlag fällt und je mehr Wasser damit durch das Einzugsgebiet des Nil fließt, desto mehr Barium wird aus dem Flussbett gelöst, ins Mittelmeer getragen und letztendlich in die Kalkschale der Mikrolebewesen eingebaut.
Dieses Vorgehen ist neu, ermöglicht direkte Schlussfolgerungen über den Niederschlag und stützt andere Erkenntnisse – zum Beispiel aus der Analyse von Vegetationsdaten. Die Untersuchung ergab: Vor circa 12.000 Jahren, zu Beginn der aktuellen Nacheiszeit, findet sich zunehmend mehr Barium in den Sedimentkernen aus dem östlichen Mittelmeer – dem Gebiet, in dem heute Zypern liegt. Das Maximum war dann vor circa 9000 Jahren erreicht und blieb konstant, bis die Werte vor rund 8000 Jahren wieder fielen. Diese Entwicklung des Bariumgehalts passt zu der Entwicklung der Sonneneinstrahlung – nur mit kurzer zeitlicher Verschiebung. Das heißt, durch die stärkere Sonneneinstrahlung verschob sich der tropische Regengürtel nach Norden, der westafrikanische Sommermonsun wurde stärker und mehr Süßwasser strömte ins Meer.
Die Folgen dieses Wasserzuflusses waren drastisch. Da Süßwasser leichter ist als Salzwasser, legte es sich wie ein Deckel über das Meerwasser. Dadurch wurde die vertikale Wasserzirkulation unterbrochen und die tiefen Meeresschichten nicht mehr belüftet. Ab rund 1800 Metern Tiefe gab es keinen Sauerstoff und damit auch kein Leben mehr – rund 4000 Jahre lang. Das östliche Mittelmeer glich einem umgekippten See, wie wir es aus heißen Sommern kennen. Dieser Zustand wurde außerdem durch milde Winter stabilisiert. Das Oberflächenwasser wurde nicht kalt und nicht schwer genug, um in die Tiefe zu sinken und die Zirkulation wieder in Gang zu bringen.
Es ist in der Vergangenheit nur etwa alle 23.000 Jahre vorgekommen, dass die Meerwasserzirkulation unterbrochen wurde. Viele verschiedene Wissenschaftler untersuchen dieses Phänomen. Mit meinen Ergebnissen lassen sich beispielsweise die Ergebnisse von Klimarechenmodellen überprüfen. Außerdem geben sie Hinweise, um auch heutige Klimaveränderungen zu beurteilen. Denn wenn die aktuelle Erwärmung zu einer Verschiebung des Regengürtels in der Sahelzone führt, bedeutet das mehr Süßwasser im Nil und meine Untersuchung bekommt für die Menschen im Mittelmeerraum eine besondere Relevanz.
Autorin: Valerie Menke
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