National Geographic: Ist der Meeresspiegel überall gleich hoch?
6. Juni 2014, von Franziska Neigenfind
Foto: UHH/CEN/D. Ausserhofer
In der Serie "Planet Meer" von National Geographic Online erschien im Juni 2014 folgender Beitrag von Prof. Detlef Stammer.
Nein, im Gegenteil, denn anders als ein stiller See ist das Wasser der Ozeane und damit der Meeresspiegel immer in Bewegung.
Da wären zunächst einmal die Gezeiten, das heißt der regelmäßige Wechsel von Ebbe und Flut an den Küsten. Grund dafür ist die Anziehungskraft der Planeten: Je nachdem, wie Erde, Mond und Sonne zueinander stehen, ändert sich der Wasserstand. Zusätzlich beeinflusst die Erddrehung die Bewegung der Wassermassen. Das Ergebnis sind Hoch- und Niedrigwasser, die die jeweiligen Küsten zu unterschiedlichen Zeiten erreichen. Mancher kennt das aus den Ferien an der Nordsee: Während auf der Insel Amrum schon Hochwasser ist, erreicht das Wasser seinen Höchststand auf dem Festland in Dagebüll erst eine halbe Stunde später.
Die Höhe des Meeresspiegels durch Gezeiten ist also eine Frage von Ort und Zeit. Dazu kommt der Wind, der das Wasser bewegt und damit mehr oder minder stark an die Küsten oder flussaufwärts ins Binnenland drückt. Auch die Küstenform spielt eine Rolle: An steilen Ufern staut sich das Wasser hoch auf, während es sich in einer großen Wattebene auf niedrigem Niveau verteilen kann.
Was ist mit dem Klimawandel?
Was uns Meeresforscher aber vor allem bewegt: Wie ändert sich der Meeresspiegel durch den Klimawandel? Einige von Ihnen haben vielleicht noch das Bild vom Kölner Dom im Kopf, der im Meer versinkt. Vor mehr als 25 Jahren zierte eine solche Fotomontage als Zukunftsszenario den Titel des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ und erregte viel Aufsehen. Diese Vorstellung ist jedoch falsch. Zunächst einmal ist der Ozean kein Glas, in das man Wasser gießt und in dem sich nach wenigen Sekunden eine ebene Oberfläche bildet. Unsere Rechenmodelle zeigen: Schmelzen in Grönland und der Antarktis die Eisschilde, breitet sich das Wasser nicht wirklich gleichmäßig über den Weltozean aus. Es gibt vielmehr regionale Unterschiede des Meeresspiegels, die sich insbesondere an den Küsten Nordeuropas und Nordamerikas bemerkbar machen.
Gleichzeitig hebt sich das Land, wenn mit der Eisschmelze weniger Gewicht auf ihm lastet – relativ gesehen sinkt also der Meeresspiegel. Seit der letzten Eiszeit hebt sich die Landmasse in Teilen von Nordeuropa. Diesen Effekt müssen wir in unsere Abschätzungen integrieren und können dies heute auch. Fest steht: Der Anstieg wird regional höchst unterschiedlich ausfallen, mancherorts wird der Meeresspiegel voraussichtlich sogar niedriger liegen als heute. So steigen noch heute Regionen von Skandinavien jedes Jahr um einen Zentimeter, während die Deutsche Bucht um etwa einen Millimeter jährlich absinkt. Bei der Änderung des Meeresspiegels wirken also viele Komponenten zusammen: globale Erwärmung, Meeresströmungen, Gravitation, Eisschmelze, Landhebungen, Wasserspeicher auf dem Land und einiges mehr. Das macht die Vorhersage so schwierig. Den stärksten Anstieg verursacht zurzeit das Abschmelzen der Landeismassen. Dieser Effekt macht circa 60 Prozent des beobachteten Anstiegs aus.
Autor: Detlef Stammer
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Prof. Detlef Stammer