Schwankende Meeresströmungen: Wie aussagekräftig können Prognosen sein?
8. Januar 2014, von Markus Dressel
Foto: UHH/CEN/F. Neigenfind
Neues vom KlimaCampus: Einmal im Monat berichten Klimaforscher im Hamburger Abendblatt über aktuelle Erkenntnisse. Bente Tiedje untersucht, wie sich atlantische Strömungen vorhersagen lassen.
Er vollbringt eine enorme Leistung für das Klima: Der Ozean kann große Mengen Wärme aufnehmen und speichern. Wie Förderbänder transportieren Meeresströmungen zudem warmes Wasser vom Äquator in Richtung der Pole und sorgen so im gleichen Maß wie die Atmosphäre für eine globale Umverteilung der Wärme. Das Nordatlantische Stromsystem, zu dem auch der Golfstrom gehört, bringt zum Beispiel warmes Wasser aus dem Golf von Mexiko bis ins europäische Nordmeer und in die Arktis – und sorgt so für ein mildes Klima in Nordeuropa.
Der Golfstrom ist somit Teil einer riesigen Zirkulation, der sogenannten Atlantischen Meridionalen Umwälzbewegung. Diese wird vor allem durch Unterschiede von Temperatur und Salzkonzentration des Wassers sowie durch den Wind angetrieben: Das gen Norden fließende Oberflächenwasser wird immer kälter und damit schwerer, bis es in die Tiefe sinkt. Bildet sich Eis, bleibt das Salz im Wasser zurück und macht es noch schwerer. Das kalte salzhaltige Wasser strömt nun in der Tiefe nach Süden zurück.
Am KlimaCampus analysiere ich mit meinen Kolleginnen und Kollegen, inwiefern sich die Variabilität dieser Zirkulation und der damit verbundene Wärmetransport vorhersagen lassen: Wir prüfen mithilfe eines numerischen Rechenmodells, wie die Umwälzbewegung schwankt, also stärker oder schwächer wird. Dabei interessieren uns insbesondere die Schwankungen von Jahr zu Jahr innerhalb zehnjähriger Modell-Simulationen. Unsere Studie steht damit zwischen kurzfristigen Wettervorhersagen und langfristigen Klimaprognosen für die nächsten 100 Jahre. Für langfristige Vorhersagen sind Randbedingungen wie etwa die ansteigende CO2-Konzentration in der Atmosphäre ausschlaggebend. Bei kurzfristigen Vorhersagen dagegen ist der Anfangszustand, von dem aus die Simulation gestartet wird, von großer Bedeutung. Unsere mittelfristigen Simulationen müssen beide Kriterien erfüllen.
Um abzuschätzen, wie gut die Simulationen die Variabilität der Zirkulation überhaupt vorhersagen könnten, benötigen wir eine Referenz – am besten in Form von Messdaten. Wir machen also keine Vorhersagen im eigentlichen Sinne (Forecasts). Vielmehr testen wir unsere Simulationen in der Vergangenheit (Hindcasts) gegen Referenzdaten und ermitteln, ob sie aussagekräftige Vorhersagen liefern könnten. Da Messungen im Ozean teuer und aufwändig sind, gibt es für viele Bereiche bisher nur lückenhafte Angaben. Als Referenz für unsere Hindcasts nutzen wir deshalb eine weitere Modellrechnung, die Messdaten mit numerischen Simulationen verbindet und so ein realitätsnahes Abbild des Ozeans ergibt. Weiterer Vorteil: Wir können die Vorhersagbarkeit auf allen Breiten des Nordatlantiks berechnen, da die Analyse nicht durch fehlende Messdaten eingeschränkt ist.
Gegen die Referenz testen wir dabei nicht nur einen, sondern insgesamt etwa 200 Hindcasts, die jeweils eine mögliche Entwicklung des Ozeans repräsentieren. Je besser diese mit der Referenz korrelieren, desto besser ist die Vorhersagbarkeit.
Unsere Analyse zeigt, dass wir prinzipiell Prognosen für zwei bis fünf Jahre treffen könnten. Dabei ist entscheidend, welche Breiten wir jeweils untersuchen. Die längste Vorhersagbarkeit zeigt sich zwischen subtropischem und subpolarem Wirbel auf Höhe von 40 Grad Nord – jener Linie, auf der New York und Madrid liegen.
Autorin: Dr. Bente Tiedje
Weitere Informationen:
- Atlantische Strömungen im Jahresverlauf: Climate Visualization Laboratory
- Neues vom KlimaCampus: Alle Beiträge auf einen Blick
- Die Gastbeiträge im Hamburger Abendblatt seit 2010 gibt es auch als KlimaCampus-Lesebücher (Teil 1-3) im Download-Bereich.