Leben mit dem Klimawandel: Böden sind zentral
9. Oktober 2019, von CEN Universität Hamburg
Foto: UHH / Ohme
Aktuell werden mehrere Professuren in den Geowissenschaften neu besetzt. Hier stellen wir die neuen Kolleginnen und Kollegen vor. Heute: Christian Beer
Professor Beer, Großbrände in der Arktis und mögliche Folgen für das Klima haben diesen Sommer für Aufregung gesorgt. Sie haben als Bodenkundler vor Ort gearbeitet – wie groß ist das Problem?
Was wir aktuell über die Brände in der Arktis wissen, beruht auf Beobachtungen vor Ort, aus der Luft und auf Satellitendaten. Leider gibt es keine flächendeckenden Angaben, und es ist schwer, das genaue Ausmaß zu bestimmen. Tatsächlich treten Brände dort regelmäßig auf – sie sind Teil des Systems. Brennt es mehrere Jahre hintereinander in diesem Umfang, wird das allerdings zum Problem. Auch wenn wir wissen, dass die Juni-Brände in der nördlichen Taiga diesmal heftiger waren als Satellitenaufnahmen der 15 Jahre zuvor nahelegen, für endgültige Schlüsse ist es noch zu früh.
Die Feuer sind aber nur die eine Seite. Wir wissen, dass sich die Arktis überproportional erwärmt: Seit Beginn der Industrialisierung ist die Temperatur weltweit um ein Grad gestiegen - in den hohen Breiten des Nordens sind es jedoch bereits zwei Grad. Gleichzeitig ist das System extrem anfällig für die zusätzliche Wärme. Der Eisgehalt im Boden schwindet, stattdessen kommt der Abbau von Biomasse durch Mikroorganismen in Gang. Dabei entstehen große Mengen CO2, die zusätzlich in die Atmosphäre gelangen. Dazu kommen Spurengase, darunter auch Methan, das sogar noch klimawirksamer ist.
Ein Sonderbericht des Weltklimarates zeigt, dass aktuell knapp 30 Prozent der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen in Pflanzen und Böden gebunden werden – aber auch, wie sehr der Klimawandel künftig die Landökosysteme belasten wird…
Ja, der Boden ist zentral für die Frage, wie wir Menschen in Zukunft mit dem Klimawandel leben werden. Einerseits ist er wichtig für den Kohlenstoffkreislauf – für das Pflanzenwachstum, als Lebensraum für Mikroorganismen, als Wasserspeicher, aber auch als Zwischenlager für organischen Kohlenstoff. Andererseits greifen immer mehr Sektoren auf die Ressource Boden zu: die Landwirtschaft, die Energiewirtschaft usw. Dazu kommt die wachsende Weltbevölkerung und der Bedarf an Nahrung, Wohn- und Lebensraum. All dies müssen wir mitdenken, wenn wir uns an die Folgen des Klimawandels anpassen und damit leben müssen.
Ihre Stelle ist eine so genannte Heisenberg-Professur – eine Auszeichnung und direkte Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Was sind Ihre Pläne?
Für mich ist eine der Kernfragen, wie der Kohlenstoff überhaupt in den Permafrostboden gelangt. Meine Theorie: Je besser wir verstehen, wie diese enormen Kohlenstofflager entstanden sind, umso genauer können wir berechnen, wie viel CO2 mittel- und langfristig beim Auftauen der arktischen Böden frei wird. Wodurch und unter welchen Bedingungen ist der Kohlenstoff in die Tiefe gelangt? Was geschah und geschieht beim Gefrieren und Wiederauftauen?
Sie kommen ursprünglich vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena, haben aber die letzten Jahre an der Stockholm University gearbeitet. Was war in Schweden anders?
Schweden ist ein kleines Land. Im Wissenschaftsbetrieb kennt jeder jeden. Es gibt flache Hierarchien und das ist gut für den Dialog – und auch davon lebt ja die Wissenschaft. Ich habe dort als Associate Professor gearbeitet, meine Uni-Sozialisation ist also eher schwedisch. Dort läuft der Universitätsbetrieb ein bisschen anders, zum Beispiel wird in Blockkursen gelehrt. Das heißt, mehrere Lehrende bestreiten gemeinsam eine Veranstaltung zu einem größeren Thema und jeder trägt seine oder ihre Expertise bei. Auch dadurch wird ein reger Dialog der Lehrenden begünstigt. Das ist vielleicht eine Parallele zum CEN und zum Exzellenzcluster CLICCS, an dem ich beteiligt sein werde: Hier wird fächerübergreifend geforscht und gelehrt und auch institutionenübergreifend mit dem Max-Planck-Institut für Meteorologie zusammengearbeitet. Das reizt mich und ich bin zuversichtlich, dass ich mich hier gut einbringen kann.
Was haben Sie sonst noch in Schweden liebgewonnen, das sich zu importieren lohnt?
Hm, vielleicht die Kaffeekultur – die so genannte Fika. Das ist in Schweden eine echte Institution. Man unterbricht die Arbeit und nimmt sich bewusst Zeit, um sich auszutauschen. Tatsächlich läuft so am Ende vieles besser.