„Alle fürs Klima" – Statements aus der Klimaforschung
19. September 2019, von CEN Universität Hamburg
Foto: Mika Baumeister on Unsplash
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterstützen die Klimaproteste ausdrücklich. Denn die Anliegen der jungen Menschen sind berechtigt und gut begründet.
Die Fridays-for-future-Bewegung lässt nicht locker: Unter dem Motto „Alle fürs Klima“ sind am 20. September die Menschen weltweit aufgerufen, sich an den Protestaktionen zu beteiligen – für echten Klimaschutz und eine Zukunft ohne Klimakrise. Doch haben die Proteste die Chance, wirklich etwas zu bewegen? Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am CEN und am Exzellenzcluster CLICCS bekräftigen Ihre Unterstützung für die jungen Menschen, die sich für einen Wandel in Politik und Gesellschaft einsetzen – und geben hier ihre ganz persönlichen Statements.
„Ich finde einen global koordinierten Streik sehr wichtig. Als Klimawissenschaftler weiß ich, dass die Lage dramatisch ist und dass jeder Tag, an dem nicht gehandelt wird, das Problem größer werden lässt. Die Bewegung hat gezeigt, dass man mit Schulstreiks Leben in die Diskussion bringt. Das Thema ist präsenter in den Medien und auch in der Politik scheint die Dringlichkeit zumindest ein bisschen angekommen zu sein. Ich unterstütze die Bewegung als Teil von Scientists4Future und werde auch versuchen, am 20. September dabei zu sein.“
„Ich beteilige mich am 20. September in Bremen, wo ich wohne. Vorher war ich auch schon einige Male bei den Protesten dabei. Außerdem habe ich mich auf der Scientists for Future-Liste eingetragen, obwohl ich da nicht sehr aktiv bin.
Ich glaube, die FFF-Bewegung hat jetzt schon Erhebliches geleistet. Sie hat es nämlich geschafft, das Problem zu einem gesellschaftlichen zu machen und nicht so sehr auf den technischen Aspekten zu verharren. Sie hat eine neue Dimension in die Auseinandersetzung gebracht: die der Generationengerechtigkeit. Es wird nun – und das ist noch nicht ganz klar in meinen Augen – wichtig, die Bewegung zu professionalisieren und damit die Etablierung in Entscheidungspositionen zu erreichen.
Aus meiner Sicht ist ebenfalls ein theoretisches Modell – ein gesellschaftliches Konzept – notwendig, das eingängig und erstrebenswert ist. Da fehlt es noch an einem gemeinsamen Bild. Keiner möchte bislang vom tradierten Bild des Wohlstandes, der fast ausschließlich auf materiellem Wachstum basiert, abweichen. Auch unser Wirtschaftssystem müsste ja deutlich umgekrempelt werden, wofür es meines Erachtens noch kein richtiges Alternativmodell gibt.“
"Als Wissenschaftler finde ich die Klimaproteste prima! Wenn die Alten sich schon nicht bewegen, dann müssen uns unsere Kinder und unsere Jugendlichen in Schwung bringen. Erziehung einmal anders herum – finde ich klasse.
Fridays for Future hat eine politische und gesellschaftliche Debatte in Gang gesetzt, die bis in die Familien hineinreicht. Das finde ich sehr beeindruckend und das ist schon sehr, sehr viel! Die Klimaproteste heben das Problem in unser Bewusstsein und niemand kommt mehr um das Thema herum. Viele meinen, sich äußern zu müssen – pro oder contra. Das hält das Thema und die Aufmerksamkeit am Laufen und setzt gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Prozesse in Gang. Das hoffe ich zumindest.
Bildung ist wichtig und wir haben deswegen einige Diskussionen zuhause. Also ja, ich unterstütze den Streik moralisch, aber mein Sohn darf keinen Unterricht ausfallen lassen, da bin ich konservativ. Aber: Wir gehen zusammen auf die Demonstration und werden in den Ferien teilnehmen und auch weiter aktiv bleiben."
„Ich unterstütze die Klimaproteste von Fridays for Future ausdrücklich. Als Umweltökonom untersuche ich Fragen des Klimaschutzes aus volkswirtschaftlicher Sicht. Im Rahmen der Scientist for Future habe ich kürzlich mit KollegInnen ein Hintergrunddokument zu Antworten auf zentrale Fragen zur Einführung von CO2-Preisen erarbeitet, das eine ökonomische Fundierung und Erklärung der Forderung der Klimaproteste bietet.
Aus wissenschaftlicher Sicht ist es unmissverständlich klar, dass wir als Weltgemeinschaft einen deutlich stringenteren Klimaschutz betreiben müssen, als dies derzeit der Fall ist. Auch wenn die Forderungen von Fridays for Future nicht eins-zu-eins umgesetzt werden und wir als Gesellschaft um die konkrete Umsetzung der Klimapolitik berechtigterweise konstruktiv streiten müssen, waren die Proteste aus meiner Sicht bereits sehr erfolgreich. Bill Clinton hat mal gesagt, dass er es im Nachhinein bereut, es mit Al Gore nicht geschafft zu haben, Klimaschutz zu einem echten Wahlthema zu machen. Ich denke, dass Fridays for Future dies nun ein Stück weit geschafft hat: Den regierenden Parteien ist in den letzten Monaten klar geworden, dass sie ohne überzeugende Programme zum Klimaschutz eine junge Generation an WählerInnen verlieren. Weil Klimaschutz ein Marathon ist, finde ich es auch richtig, dass die Klimastreiks weitergehen. Am 20. September werde ich deswegen in Hamburg selbst mit dabei sein.“
„Eine breite Unterstützung für Klimaproteste ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass eine Regierung sich tatsächlich auch traut, Klimaschutzmaßnahmen im erforderlichen Umfang auch einzuführen, statt mit ängstlichem Blick auf zukünftige Stimmenverluste auf einer symbolischen Ebene zu verweilen.
Als soziale Bewegung ist es für Fridays for Future vollkommen legitim, stark zu emotionalisieren und vor allem auf die Dringlichkeit und Dramatik der Problemlage hinzuweisen. Für die praktische Bearbeitung des Klimaproblems in der Politik ist es allerdings hilfreich, sich nicht von Angst und Panik leiten zu lassen, weil dadurch auch populistischen Reaktionen Vorschub geleistet wird. Wir benötigen für die Erreichung der Pariser Klimaziele einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Umbau. Dazu sind langfristige Unterstützung und Planungsgewissheit erforderlich.“
„Wir forschen in unserem Klima-Exzellenzcluster zu den möglichen und wahrscheinlichen Klimazukünften. Welche Zukunft uns tatsächlich erwartet, ob das 2° oder das 1,5° Ziel erreicht werden kann, hängt von politischen Weichenstellungen ab. Zur Umsetzung von tatsächlich einschneidenden Entscheidungen scheint aber nach wie vor erheblicher Druck erforderlich zu sein – auch hier in Deutschland.
Ich begrüße deswegen die Fridays for Future-Bewegung ausdrücklich und denke, dass mit dem Klimastreik ein guter Weg eingeschlagen wurde. Die Bewegung hat jetzt schon viel bewirkt – auch weil sie international vernetzt ist. Toll finde ich, dass es von Jugendlichen initiiert wurde und getragen wird. Ich persönlich werde mich am 20. September dem Klima-Streik anschließen.“
„Als Wissenschaftlerin freue ich mich sehr über die Unterstützung der Jugend. Deshalb habe ich auch am ersten globalen Klimastreik im März teilgenommen und gemeinsam mit fast 1,8 Millionen Menschen weltweit für umfassende Klimaschutz-Maßnahmen demonstriert.
Natürlich habe ich mich auch gemeinsam mit mehr als 26.000 Wissenschaftlern denScientists-for-future angeschlossen.“
„Um ehrlich zu sein, ich bin da geteilter Meinung. Es ist sehr wichtig, dass wir mehr Öffentlichkeit und Bewusstsein schaffen für das Klimaproblem! Das ist keine Frage. Aber das genügt leider nicht. Freitags protestieren zu gehen, bringt nur dann etwas, wenn wir ALLE auch einen Blick auf uns selbst werfen und uns fragen: Was trage ich an allen anderen sechs Wochentagen zum Klimaschutz bei, wenn ich nicht auf einer Demo stehe? Fliege ich viel in den Urlaub? Fahre ich ein dickes Auto? Wie gehe ich mit Plastikmüll um? Kaufe ich lokal, saisonal und nachhaltig ein? Baue ich vielleicht sogar selbst Obst oder Gemüse an? Shoppe ich ständig neue Klamotten und brauche ich die wirklich? Es gibt sehr viele kleine Schritte, die jeder von uns gehen kann, um mehr Nachhaltigkeit zu bewirken. Und während wir unser eigenes Konsumverhalten ändern, sind solche Demos dann natürlich ein guter Weg, Druck auf die Politik auszuüben.“
„Selbstverständlich unterstütze ich Fridays for Future und werde am 20. September mit streiken. Die Fakten, und auch die Lösungsvorschläge, liegen schon lange auf dem Tisch. Es braucht Druck aus allen Teilen der Gesellschaft, damit endlich gehandelt wird. Das ist unsere Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen, aber auch gegenüber den vielen Menschen aus dem Globalen Süden, die schon heute unter den Folgen des von uns verursachten Klimawandels leiden.“
„Es scheint so, dass Politiker diese Bewegung jetzt aufgreifen. Aber sie tun dies nur, weil sie glauben, dass das Thema breitere Massen interessiert. Ich habe viel Verständnis dafür, dass sich jüngere Menschen dafür interessieren. Sie haben viel mehr Grund, sich darüber aufzuregen. Man muss Druck von unten machen, damit Politiker reagieren, denn Politiker denken nur in Legislaturperioden – das ist ein Schwachpunkt der Demokratie. Klimawandel ist ein generationsübergreifendes Problem. Es ist schwierig, Leute dazu zu bewegen, auf etwas zu verzichten, weil der Klimawandel erst irgendwann in der Zukunft schwerwiegende Folgen haben könnte. Ich glaube, die Aufklärung und die Öffentlichkeitsarbeit müssen noch besser werden. Es wird ein Wandel kommen, wenn die Menschen die konkreten Auswirkungen sehen wie beispielsweise das Waldsterben durch die aktuell vorhandene schleichende Austrocknung in Deutschland. So bekommen sie erst eine Vorstellung davon, was noch kommen könnte.“
„Fridays for Future ist für mich ein Lichtstreif am Horizont. Zum ersten Mal hat sich aus der Gesellschaft heraus etwas bei diesem Thema bewegt. Die Jugendlichen üben Druck auf die Regierungen aus; das ist gut. Denn unsere Politikerinnen und Politiker machen bisher nicht, wofür wir sie gewählt haben.“
"In einer Welt am Scheideweg können die Aktivitäten von Fridays for Future wesentlich dazu beitragen, Klimakatastrophen und Gewaltkonflikte zu vermeiden und die Transformation in eine nachhaltige Zukunft zu beschleunigen."
"Die von der Fridays4Future-Bewegung angeregte Aktionswoche finde ich sehr gut! Forschungsergebnisse zeigen seit langem, dass gehandelt werden muss, um den Klimawandel und seine Folgen für Witterung und Wetter in Grenzen zu halten. Die verschiedenen Aktivitäten der jungen Menschen sind ein Weckruf für Gesellschaft und Politik und ich hoffe sehr, dass nun auch deutliche Reduktionen der Treibhausgasemissionen in Deutschland realisiert werden. Mit derartigen Änderungen können aus meiner Sicht erhebliche Vorteile für uns alle entstehen, wie beispielsweise bei der Verkehrswende (u.a. weniger Lärm, Bodenversiegelung und Luftbelastung; Städte werden lebenswerter) oder Energietransformation (u.a. dezentrale Energieerzeugung mit geringerer Abhängigkeit von großen Anbietern). Auch in unserem CLICCS-Stadtforschungsprojekt sind Klima- und Umweltgerechtigkeit wichtige Aspekte bei der Entwicklung nachhaltiger Anpassungsszenarien an den Klimawandel. Emissionsreduktionen und Anpassungen an den Klimawandel bieten eine Chance, unsere Gesellschaft für dieses Jahrhundert nicht nur Klima-fit sondern auch umweltgerechter zu gestalten."
„Ich halte den weltweiten Klimastreiktag für ausgesprochen wichtig, da er die globale Verknüpfung der notwendigen politischen Intervention zur Bekämpfung des Klimawandels verdeutlicht. Gleichzeitig macht ein weltweiter Klimastreiktag deutlich, dass nicht alle Teilhaber*innen, die vom Klimawandel betroffen sind, von der gleichen politisch verfassten Grundlage demokratischer Partizipation und Rechtstaatlichkeit ausgehend, am Streik teilhaben können. Der Streik zeigt daher global konstitutierte Ungleichheiten einer Pluralität von Akteur*innen auf.
Mit der durch Greta Thunbergs Schulstreik ausgelösten "Fridays for Future” Bewegung haben Schüler*innen zwei Kernthemen auf die politische Agenda gesetzt: erstens wirkt sich der Klimawandel mit der Zeit zunehmend stärker auf nachkommende Generationen aus; zweitens, und damit verknüpft ergibt sich eine politische Dringlichkeit, die Klimapolitik aktuell und effektiv zu gestalten und umzusetzen. Wie der Generalsekretär von Amnesty International Kumi Naidoo bei der Verleihung des Ambassador of Conscience Award an Greta Thunberg richtig zusammenfasst: Jungen Leuten wird oft gesagt, dass sie die Anführer von morgen sind. Laut FAZ sei er froh, dass Thunberg und die vielen anderen jungen Aktivist*innen darauf nicht gehört hätten. Wenn sie bis morgen warten, wird es für niemanden von uns eine Zukunft geben. (FAZ, 17.9.2019).
Selbstverständlich unterstütze ich den Streik. Wichtig ist es dabei, im Auge zu behalten, dass nicht überall auf der Welt die gleichen Chancen zur politischen und wissenschaftlichen Partizipation bestehen. Zugang zu proaktiver Kontestation von Klimaschutznormen bleibt ein Thema, bei dem es noch viel auszugestalten gibt. Daran arbeiten wir unter anderem im CLICCS Forschungsbereich B2 WP2 zum Thema Umstrittene Klimagerechtigkeit in politisch sensiblen Regionen wie der Arktis und dem Mittelmeerraum.“
„Meine Töchter haben mich mehrmals zu Fridays For Future Demos mitgenommen und jedes Mal fühlte ich mich beschämt. Hier kämpft die Zukunft der Welt für die Zukunft der Menschheit, während meine Generation kläglich versagt, nicht zuletzt, weil wir weit über unsere Verhältnisse leb(t)en. Die Klimaschutzbewegung ist die wichtigste politisch-soziale Bewegung zumindest seit dem Kampf der Arbeiterschaft gegen die Auswüchse des Kapitalismus im 19. Jahrhundert. Damals waren es die Auswüchse der Ausbeutung der Arbeiter, heute ist es der Raubbau an der Natur. Es ist unsere Pflicht, diese Bewegung zu unterstützen. Sie kämpft für uns alle.“