Mit der Wissenschaft vor die Tür
2. Oktober 2019, von Lisa König
Foto: Soapbox Science
Dr. Elisa Schaum ist Juniorprofessorin und erforscht am CEN, wie sich das Plankton im Ozean an die künftigen Klimaveränderungen anpassen kann. Eine weitere Leidenschaft ist für sie die Öffentlichkeitsarbeit. Im Auftrag der Wissenschaft steht sie auch mitten in der Fußgängerzone und erklärt ihre Forschung. Hier erzählt sie, was ihr daran gefällt – und warum es manchmal sehr anstrengend sein kann.
Frau Schaum, Sie wollen für die Wissenschaft begeistern. Seit wann sind Sie selbst infiziert?
Das kam erst relativ spät. Ich bin in einer Familie voller Künstler aufgewachsen. Mir war gar nicht klar, dass Erwachsene auch etwas anderes machen können. Deshalb konnte ich mir lange nicht vorstellen, die Wissenschaft zum Beruf zu machen. Aber irgendwann dachte ich, ich probiere es einfach mal aus. Also habe ich ein Studium begonnen – und jetzt bin ich Professorin.
Haben Sie je an der Entscheidung gezweifelt?
Ja, ungefähr einmal die Woche. Manchmal fehlt mir der direkte Nutzen meiner Arbeit. Kunst macht Menschen glücklich, genauso wie Musik oder ein guter Film. Die Wissenschaft gibt zunächst nur den Forschenden ein gutes Gefühl. Obwohl wir damit vielleicht später einmal Menschen helfen, fühlt sich das sehr weit weg an. An solchen Tagen spüre ich, wie viel Arbeit es ist. Aber an den anderen Tagen macht es mir wirklich Spaß.
Finden Sie, es sollten sich mehr Leute mit Naturwissenschaften beschäftigen?
Ich finde, wir alle haben die Verantwortung, auf die Erde und ihr Klima zu achten. Und dafür ist es sehr hilfreich, zu verstehen, wie unser Planet funktioniert. Aber manche Menschen haben mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Wer sich Sorgen macht, wie er oder sie seine Familie ernähren kann, hat verständlicherweise nicht den Kopf für solche Themen frei.
Sie halten Schülervorträge, schreiben für den Newsletter Ihres Instituts und dozieren von einer Kiste aus mitten auf dem Alexanderplatz. Warum tragen Sie die Wissenschaft in die Öffentlichkeit?
Dafür gibt es zwei Gründe. Die Menschen sollten einerseits wissen, wofür wir die Steuergelder verwenden, die sie der Wissenschaft zahlen. Für mich ist aber noch wichtiger, dass ich Frauen in der Wissenschaft sichtbar machen möchte.
Was war für Sie bisher die schönste Erfahrung?
Schwer zu sagen – weil ein Gartenprojekt mit Fünfjährigen ganz anders ist als eine Diskussion mit Erwachsenen. Beides macht auf seine Weise Spaß. Besonders gut hat mir die Veranstaltung von Soapbox Science dieses Jahr in Berlin gefallen. Dabei ging es speziell um Frauen in der Wissenschaft. Die Events finden immer an öffentlichen Plätzen statt, in diesem Fall mitten auf dem Alexanderplatz. Dadurch habe ich ganz unterschiedliche Menschen erreicht.
Wie groß ist das Interesse für wissenschaftliche Themen?
Auf Veranstaltungen habe ich immer das Gefühl, dass die Leute sehr interessiert sind und viel lernen möchten – dorthin kommen sie allerdings auch freiwillig. Gleichzeitig gibt es Donald Trump und Fake News. Im Internet zeigt sich, dass einige Menschen der Wissenschaft nicht mehr vertrauen. Bekannte von mir mussten schon darüber diskutieren, ob es die Evolution und den Klimawandel wirklich gibt. In solchen Situationen kommt es darauf an, ob die Menschen bloß schlecht informiert sind oder Ärger machen wollen. Bei Letzterem hilft es manchmal nur noch, einfach zu gehen.
Hat Wissenschaftskommunikation auch negative Seiten?
Es kostet eine Menge Zeit, die manchmal einfach nicht da ist. Sinnvoll wäre, wenn man im Gegenzug zum Beispiel einige Stunden in der Lehre kürzen könnte. Gleichzeitig liegt es nicht jedem. Es gibt exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die für diesen Bereich aber einfach kein Talent haben. Wer keine Lust darauf hat, soll sich nicht rechtfertigen müssen.
Werden Frauen im Dienste der Wissenschaft weniger ernst genommen?
Dazu ein Beispiel: Vor kurzem habe ich einen Brief bekommen, den ich an der Haustür unterzeichnen musste. Als ich die Tür öffnete, fragte mich der Postbote, ob Professor Schaum zuhause wäre. Dass ich Professor Schaum sein könnte, war für ihn gar keine Option. Er meinte es wahrscheinlich nicht böse. Unsere Gesellschaft sieht Frauen immer noch in einem anderen Licht als Männer. Es bleibt allerdings frustrierend, weil es bestimmt das zehnte Mal war, dass mir so etwas passiert ist.
Sollten Ihrer Meinung nach nur ausgebildete Wissenschaftler*innen über ihren Fachbereich sprechen oder können das auch Student*innen auf Youtube?
Wenn sie darauf Lust haben und gut informiert sind, warum nicht? Sie müssen ja gar nicht alles wissen. Sie müssen nur mehr wissen, als die Leute, mit denen sie sprechen und kein gefährliches Halbwissen verbreiten.