Mit HALO dichter an die Wolken heran
17. September 2019, von Stephanie Janssen
Foto: UHH/CEN/H. Konow
Heike Konow erforscht eines der größten noch bestehenden Rätsel im Klimasystem, die Wolken. Dazu erkundete sie im Team drei Jahre lang in mehreren Kampagnen den Himmel über dem Nord-Atlantik – mit dem Forschungsflugzeug HALO, das von Island und Barbados aus startete. So entstand ein gigantischer Datenschatz, den sie jetzt weltweit zur Verfügung stellt.
Frau Konow, der letzte Weltklimabericht des IPCC nennt den Einfluss von Wolken eine der größten Unbekannten im Klimasystem. Welche Geheimnisse behalten die Wolken für sich?
Wie sie sich organisieren, wie sie entstehen, wann sie regnen… Um das komplette Klimasystem zu verstehen, müssen wir noch besser über die Ursachen und Randbedingungen all dieser Prozesse Bescheid wissen. Nur so können wir die Vorhersagen von Klimamodellen so genau machen, wie wir sie brauchen.
Was passiert denn mit den Wolken im Klimawandel?
Wir wollen wissen, ob es bei globaler Erwärmung mehr Wolken geben wird. Dann könnte es öfter regnen. Theoretisch ist das so, denn in einer wärmeren Atmosphäre kann sich mehr Wasser halten. Ob diese zusätzlichen Wolken dann allerdings das Klima anheizen oder abkühlen, hängt wiederum davon ab, wie hoch sie stehen und wie sie beschaffen sind. Kurz gesagt wirken hohe Wolken eher abschattend, eine niedrige geschlossene Wolkendecke heizt die Atmosphäre eher auf.
Ihnen steht mit HALO ein einzigartiges Forschungsflugzeug zur Verfügung. Jetzt haben Sie die Ergebnisse von 37 Flügen von insgesamt vier Flug-Kampagnen der Wissenschaft weltweit zur Verfügung gestellt. Was ist das Besondere an den Daten?
Wir haben einen riesigen und einzigartigen Datensatz erschaffen, der uns viel über die Wolken erzählen kann. Vorher hat noch niemand über dem Atlantik so systematisch gemessen. An Land gibt es Bodenstationen, die regelmäßig Werte erheben – aber über dem Meer? Zwar scannen Satelliten das Gebiet kontinuierlich und messen dabei wichtige Größen, doch die Auflösung ist mit etwa 15 Kilometern viel zu grob, um Wolken genau zu erfassen. Im Flug bekommen wir dagegen etwa alle 200 Meter einen Messwert.
Was wird gemessen?
Am Rumpf von HALO sind ein Mikrowellen-Radiometer und ein Wolkenradar befestigt, beide arbeiten mit elektromagnetischen Wellen. Mit deren Hilfe kann ich die Umrisse der Wolken vermessen, aber auch erkennen, wie sie im Inneren beschaffen sind. Wenn nur ein kleiner Teil der Wellen reflektiert wird, sind die Partikel und Tropfen in der Wolke klein. Wird viel reflektiert, sind mehr und oft größere Partikel enthalten. Man kann sagen, die Wolke ist quasi satt und geladen und könnte möglicherweise bald abregnen.
In größeren Abständen werfen wir außerdem so genannte Dropsonden aus, die etwa zehn Minuten lang nach unten schweben und dabei kontinuierlich Temperatur, Feuchte, Druck und Wind messen. So erhalten wir ein senkrechtes Profil von dem Teil der Atmosphäre, den wir gerade überfliegen.
Warum stellen Sie die Daten nicht einfach nach jedem Flug ins Netz?
Damit könnte man kaum arbeiten. Die Daten sind von mir auf mehreren Ebenen auf ihre Qualität geprüft worden. Für einzelne minimale oder maximale Ausschläge werden potenzielle Fehlerquellen gecheckt. Zusätzlich wird geprüft, ob alle Instrumente zeitsynchron laufen. Für jede volle Sekunde des Fluges ist jetzt ein Datensatz mit den Werten aller Instrumente erhältlich.
Woher wissen Sie, dass die Messgeräte richtig messen?
Das war tatsächlich anfangs die Frage. Denn unsere Instrumente sind eigentlich nicht fürs Fliegen gemacht. Würden sie Start und Landung tolerieren und es aushalten, auch mal kräftig durchgeschüttelt zu werden? Sie müssen starke Temperaturwechsel vom Flugplatz im heißen Barbados bis zu den Minusgraden in zehn Kilometer Höhe mitmachen. Deshalb hatten wir sie in den ersten Flügen ausführlich getestet. Dazu machen wir so genannte Satellitenunterflüge. Wir versuchen dabei, zeitgleich auf derselben Route wie ein Satellit mit ähnlichen Instrumenten zu fliegen. Beim Abgleich der Daten waren wir sehr zufrieden: Die Instrumente waren robust genug für unsere Höhenflüge.
Was passiert auf einem Flug?
Wir fliegen bis zu acht Stunden, einmal quer über den Atlantik. Im Flieger ist es laut, wir tragen oft Ohrenschützer und Headsets, damit wir uns unterhalten können. Wir sind acht Personen an Bord, fünf davon machen wissenschaftliche Experimente. Einige Instrumente starten wir am Boden, einige erst in der Luft. Wir überwachen Geräte und ankommende Daten und versuchen, Fehler zu beheben. Weil die meisten unserer Messgeräte außen am Rumpf montiert sind, haben wir auch etwas Platz und können herumlaufen.
Haben sie schon neue Erkenntnisse gewonnen?
Es gibt eine Theorie, in der großräumige Auf- und Abwärtsbewegungen in der Atmosphäre eine Rolle spielen. Wenn die Luftmassen sich abwärts bewegen, drücken sie dabei auch die Wolken mit nach unten. Diese bleiben dann klein und lösen sich schließlich auf. Gibt es aber Aufwind, steigen auch die Wolken höher und können größer werden. Mit dieser Theorie arbeitet die Meteorologie schon lange, doch unsere Messungen konnten den Zusammenhang jetzt belegen. Das ist schon ein tolles Gefühl, so etwas tatsächlich live vor Ort messen zu können.
Was müssen wir noch wissen, um das Klimasystem besser zu verstehen?
Mich interessiert besonders, wann eine Wolke regnet, was dabei die bestimmenden Faktoren sind. Hängt es an ihrer Größe, an der Umgebung? Ich konzentriere mich auf die typischen flachen Wolken, die das Klima im tropischen Atlantik stark beeinflussen, weil es von ihnen so viele gibt. Bisher wissen wir, dass breite flache Wolken selten regnen, Wolken, die höher sind als breit, schon eher. Ende Januar geht es deshalb für mich wieder nach Barbados zur nächsten Kampagne namens EUREC4A. Ich werde dazu dort weitere Daten sammeln und mit den aktuellen verknüpfen.
Dr. Heike Konow ist Meteorologin, Expertin für Atmosphärenmessungen und Mitglied im CEN.
Das Forschungsflugzeug HALO (High Altitude and Long Range Research Aircraft) kann mit bis zu 15 Kilometern besonders hoch und mit 8000 Kilometern sehr weit fliegen. Mit einer Beilast von bis zu drei Tonnen ist es geeignet, diverse Messgeräte gleichzeitig mit an Bord zu nehmen oder am Rumpf zu befestigen. Mehr Infos
Fachartikel: Konow, H., Jacob, M., Ament, F., Crewell, S., Ewald, F., Hagen, M., Hirsch, L., Jansen, F., Mech, M., and Stevens, B.: A unified data set of airborne cloud remote sensing using the HALO Microwave Package (HAMP), Earth Syst. Sci. Data, 11, 921-934, https://doi.org/10.5194/essd-11-921-2019, 2019.
An der Studie beteiligt waren das Max-Planck-Institut für Meteorologie, das Institut für Geophysik und Meteorologie der Universität Köln sowie das Institut für Physik der Atmosphäre des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Heike Konow berichtete bereits im Hamburger Abendblatt über ihre Forschung: Was die rätselhaften Wolkenberge mit dem Klima zu tun haben