Permafrost: Pflanzenwurzeln erhöhen Ausstoß von Treibhausgasen
20. Juli 2020, von Pressemitteilung/ Redaktion
Foto: Ive van Krunkelsven
Wie viel Kohlenstoff wird freigesetzt, wenn Permafrostböden in der Arktis auftauen? Dies können Klimamodelle noch nicht sicher vorhersagen. Ein internationales Forschungsteam hat jetzt die Rolle von Pflanzenwurzeln untersucht. Diese geben sogenannte Exsudate an den Boden ab und beschleunigen damit das Wachstum von Mikroben und somit auch die Zersetzung des organischen Bodenmaterials. Dieser positive Feedback-Mechanismus wird als Priming-Effekt bezeichnet. Die Ergebnisse zeigen, dass bis zum Jahr 2100 allein dieser Effekt 40 Milliarden Tonnen Kohlenstoff aus den vom Permafrost beeinflussten Böden freisetzen kann. Professor Christian Beer vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg war an der Studie beteiligt.
Permafrost ist ein dauerhaft gefrorener Boden, in dem so viel Kohlenstoff gespeichert ist, wie in allen Pflanzen und in der Atmosphäre zusammen. Die Oberfläche des Permafrosts taut im Sommer auf, die Pflanzen wachsen und Organismen im Boden werden aktiv. Wenn solche Mikroorganismen atmen, setzen sie Treibhausgase frei. Bisher haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler angenommen, dass durch die globale Erwärmung 50 bis 100 Milliarden Tonnen Kohlenstoff aus dem Permafrost bis zum Jahr 2100 entweichen könnten. Hinzu kommt jedoch, dass Pflanzenwurzeln den Mikroorganismen im Boden Zucker zuführen. Diesen nutzen die Mikroben, um mehr organische Bodensubstanz abzubauen. Die neue Studie zeigt, dass dieser Effekt die Emissionen zusätzlich erhöht.
„Wir kennen den Priming-Effekt seit den 1950er Jahren, aber wir wussten nicht, ob diese ökologische Wechselwirkung auf kleinstem Raum einen signifikanten Einfluss auf den globalen Kohlenstoffkreislauf hat", sagt Studienleiterin Dr. Frida Keuper vom französischen nationalen Forschungsinstitut für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt, INRAE und der Universität Umeå in Schweden.
Das Forscherteam kombinierte Daten zur Pflanzenaktivität und zum Kohlenstoffgehalt des Bodens mit neuen Erkenntnissen zu Priming und Pflanzenwurzeln, um den Priming-Effekt in Permafrost-Ökosystemen und seinen Einfluss auf die Emissionen zu ermitteln.
„Wir haben berechnet, dass der Priming-Effekt die mikrobielle Atmung des Bodens um 12 Prozent erhöht“, sagt Prof. Christian Beer vom CEN. „Das bedeutet rund 40 Milliarden Tonnen Kohlenstoff mehr, als die bisherigen Berechnungen bis 2100 angeben. Eine enorme Menge.“ Soll die globale Erwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius begrenzt werden, entspricht dies 20 Prozent des gesamten verbleibenden Kohlenstoff-Budgets, das höchstens in die Atmosphäre gelangen darf.
"Die neuen Erkenntnisse zeigen, wie wichtig es ist, bei der Modellierung der globalen Treibhausgasemissionen auch ökologische Wechselwirkungen wie den Priming-Effekt zu berücksichtigen", sagt Dr. Birgit Wild, Assistenzprofessorin an der Universität Stockholm.
Fachartikel
Frida Keuper, Birgit Wild, Matti Kummu, Christian Beer, Gesche Blume-Werry, Sébastien Fontaine, Konstantin Gavazov, Norman Gentsch, Georg Guggenberger, Gustaf Hugelius, Mika Jalava, Charles Koven, Eveline J. Krab, Peter Kuhry, Sylvain Monteux, Andreas Richter, Tanvir Shahzad, James T. Weedon, Ellen Dorrepaal (2020): Carbon loss from northern circumpolar permafrost soil amplified by rhizosphere priming, Nature Geoscience, DOI: 10.1038/s41561-020-0607-0
Kontakt
Prof. Christian Beer
Institut für Bodenkunde
Universität Hamburg
CEN – Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit
Tel.: +49 40 42838-2699
E-Mail: Christian.Beer@uni-hamburg.de