Wie kommt der Klimaschutz auf den Hof?
19. Mai 2020, von Stephanie Janssen
Foto: Raphael Rychetsky/unsplash
Die Landwirtschaft muss klimafreundlicher werden. In Deutschland verlangen die Klimaziele der Bundesregierung, Treibhausgase im Stall und auf dem Acker bis zum Jahr 2050 um mehr als 30 Prozent zu reduzieren. Unklar ist jedoch, wie die Emissionen auf den Höfen überhaupt gemessen werden können. Eine Umfrage unter 254 Betrieben zeigt ein erstes Bild: Mehr als 60 Prozent möchten klimafreundlicher arbeiten, ihnen fehlen aber wichtige Informationen. Am CEN arbeitet ein Team deshalb an Konzepten für ein smartes Tool, das diese liefern könnte.
Dr. Kerstin Jantke vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg hat mit ihrem Team eine Online-Umfrage mit 254 landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland durchgeführt. Darunter waren Bio-Höfe ebenso wie konventionelle Betriebe, Höfe mit Tierhaltung und solche mit Ackerflächen. Die Befragung ist nicht repräsentativ, gibt aber wertvolle Anhaltspunkte, wie ein Instrument zur Regulierung von Emissionen funktionieren könnte – und wie eher nicht.
„Grundsätzlich spielt der Klimawandel für Landwirtinnen und Landwirte eine wichtige Rolle. Mehr als die Hälfte erleben dessen Auswirkungen bereits hautnah“, sagt Umweltwissenschaftlerin Kerstin Jantke. Dabei sind gleich zwei Aspekte wichtig. Die Betriebe spüren die Klimaveränderungen direkt an ihren Erträgen. Gleichzeitig emittieren sie selbst Treibhausgase, die vor allem in den Ställen und bei der Düngung entstehen. Mehr als sieben Prozent der Emissionen gehen in Deutschland laut Umweltbundesamt auf die Landwirtschaft zurück. Weltweit sind es mehr als zehn Prozent.
Laut Umfrage wären 60 Prozent bereit, ihre Treibhausgase zu reduzieren, die Befragten fühlen sich jedoch insgesamt unzureichend informiert. Die meisten ihrer Informationen beziehen sie aus landwirtschaftlichen Magazinen. 40 Prozent der Höfe möchte die Emissionen dagegen nicht reduzieren. Sie haben zu wenig Zeit, befürchten finanzielle Einbußen, tun bereits was sie können oder finden das Thema nicht relevant.
Anerkennung der Bevölkerung fehlt
Nur wenige der befragten Personen haben bisher versucht, die Emissionen auf dem eigenen Hof abzuschätzen. Es ist auch vielen kaum bekannt, welche ihrer Entscheidungen viel und welche wenig Emissionen erzeugen. So kann zum Beispiel das Ausbringen von Kunstdünger je nach Witterung an einem Tag unverhältnismäßig viel zusätzliches Treibhausgas erzeugen, am nächsten jedoch kaum. Solche Zusammenhänge könnten spezielle Computerprogramme aufzeigen und daraus Empfehlungen ableiten. So würden sie in Zukunft zum Beispiel Termine zur Aussaat oder zur Ausbringung von Düngemittel vorschlagen, die den jeweils besten Kompromiss zwischen Ertrag und Emissionen bilden.
Ein Viertel der Befragten nutzt Computer für ihre Arbeit. Aber mehr als die Hälfte wären durchaus bereit, ein innovatives Tool anzuwenden, wenn sie einen finanziellen Ausgleich bekämen. Allgemein motivieren finanzielle Anreize wie Subventionen (70 Prozent) zu Klimaschutz ebenso wie ein potenzieller Marktvorteil, zum Beispiel durch ein entsprechendes Klima-Siegel (75 Prozent). Dagegen würde ein konkretes Emissions-Limit für den eigenen Hof die Hälfte der Befragten demotivieren.
Gleichzeitig scheint vielen die Wertschätzung durch die Bevölkerung zu fehlen. Denn neben der eigenen Überzeugung (75 Prozent) ist die positive Anerkennung durch die Öffentlichkeit (70 Prozent) ein Faktor mit hoher Motivation, den eigenen Betrieb klimafreundlicher zu gestalten.
Siegel, smartes Tool und Anreize
Das Team um Jantke nutzte diese Informationen, um ein Konzept für eine Treibhausgas-Erfassung auf den Höfen zu entwickeln. Bis 2050 müssen die Emissionen in der Landwirtschaft um mehr als 30 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 sinken. „Ohne staatliche Regulierungen ist das nicht zu schaffen“, sagt Jantke. Doch konkrete Verordnungen fehlen bisher. Käme ein entsprechendes Instrument, bleibt die Frage: Wie messen? Hier wird es kompliziert: Auf dem Feld und im Stall gibt es nicht nur eine Emissionsquelle. Jeder Boden und jedes Tier emittiert unterschiedlich und vieles ändert sich wiederum mit dem Wetter. Damit wird es beinahe unmöglich – oder unglaublich teuer – die Klimagase für jeden einzelnen Hof exakt zu messen.
Das Team schlägt deshalb ein Konzept vor, das spezielle wissenschaftliche Modelle aus der Klimaforschung nutzt, um die Emissionen zu berechnen. Werden diese mit Basisdaten der Höfe verknüpft, könnte auf kostspielige Messtechnik verzichtet werden. Ein solches Tool wäre von Mischbetrieben bis hin zu spezialisierten Pflanzen- oder Viehzuchtbetrieben in allen Bereichen anwendbar. „Zusammen mit finanziellen staatlichen Anreizen für weniger Emissionen und einem entsprechenden Siegel für die Produkte, das die Anstrengungen sichtbar macht, könnte der Klimaschutz auf den Höfen starten“, sagt Jantke.
Mehr Infos
Fachartikel:
Jantke K, Hartmann MJ, Rasche L, Blanz B, Schneider U, (2020): Agricultural Greenhouse Gas Emissions: Knowledge and Positions of German Farmers, Land 2020, 9(5), 130; https://doi.org/10.3390/land9050130
Schneider U, Rasche L, Jantke K (2020): Farm-level digital monitoring of greenhouse gas emissions from livestock systems could facilitate control (pdf), optimisation and labelling LANDBAUFORSCH, J Sustainable Organic Agric Syst · 69(1):9–12,
Doi: 10.3220/LBF1580734769000
Kontakt:
Dr. Kerstin Jantke
CEN – Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit
CLICCS – Exzellenzcluster für Klimaforschung
Universität Hamburg
E-Mail: kerstin.jantke@uni-hamburg.de
Tel.: +49 40 42838 2147
Stephanie Janssen
Öffentlichkeitsarbeit
CEN – Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit
CLICCS – Exzellenzcluster für Klimaforschung
Universität Hamburg
E-Mail: stephanie.janssen@uni-hamburg.de
Tel.: +49 40 42838 7596