Klimawandel mit Lösungsoptionen begegnen
12. März 2020, von Astrid Dose, Cluster Erneuerbare Energien EEHH
Foto: UHH
Im folgenden Interview berichtet Prof. Dr. Hermann Held, Forscher am CEN und am Exzellenzcluster CLICCS der Universität Hamburg, über den aktuellen Stand der Klimaforschung und mögliche Lösungsoptionen.
Herr Prof. Held, Sie arbeiten als ausgewiesener Experte im Bereich der Klimaforschung. Wie schätzen Sie die aktuelle Lage ein? Ist es fünf vor zwölf oder schon eher zwölf? Was müsste deutschlandweit und weltweit passieren, um den Klimawandel signifikant aufzuhalten?
Hermann Held: Um das 2°-Ziel oder gar das 1,5°C-Ziel noch einzuhalten, sollte allein schon aus ökonomischer Sicht deutlich ambitionierter vorgegangen werden, als im Pariser Klimaabkommen von 2015 vereinbart. Je später die Klimaziele in Angriff genommen werden, desto kostspieliger wird eine Umrüstung unseres Energiesystems. Kohlekraftwerke erst zu bauen und dann recht bald wieder abzuschalten ist volkswirtschaftlich ungünstig. Jedoch sehen wir nicht zuletzt auch in der nationalen Debatte, wie schwierig es ist, selbst die weichen Ziele des Pariser Klimaabkommens umzusetzen.
An welchem Forschungsprojekt sitzen Sie gerade? Was sind die Kernfragen?
Wir sind derzeit auf drei Gebieten tätig. Das erste befasst sich mit dem vielleicht sehr theoretisch erscheinenden Problem, Umweltziele in der ökonomischen Theorie solide zu verankern.
Ziele wie das 1,5°C- oder 2°C-Ziel werden von der Mainstream-Klimaökonomie als suboptimal wahrgenommen. Man müsse Vor- und Nachteile von Vermeidungs-Anstrengungen „rational“ abwägen und dann entscheiden. Das klingt zunächst gut. Jedoch wissen wir über die Folgen des Klimawandels noch nicht so viel, dass wir an alles bereits eine Euro-Abschätzung heften könnten. Auch liegen die meisten Folgen so weit in der Zukunft, dass sie bei einer rein ökonomischen Betrachtung leicht so sehr abgewertet werden, dass sie nur gering ins Gewicht fallen. Dem widerspricht die Intuition vieler Naturwissenschaftler*innen, die die langfristigen Lebensgrundlagen gefährdet sehen.
Wir arbeiten nun an einem neuen Bewertungsverfahren, das solides Wissen und Vorsorge-Überlegungen unter einen Hut bringt und zugleich damit umgehen kann, dass immer neues Wissen hinzukommt. Unsere Ergebnisse können daher ganz praktische Hinweise dazu geben, wie Emissionsminderungsziele angepasst werden müssten, wenn neue Informationen gewonnen werden. Dann bräuchten nicht jedesmal international die Budgets neu ausverhandelt werden. Dieses neue Bewertungs-Schema können wir auch im Bereich des Nordseefischerei-Managements, unserem zweiten Thema, anwenden, wo ebenfalls mit Umweltzielen gearbeitet wird.
Schließlich nehmen wir im Klima-Exzellenzcluster CLICCS im Verbund mit vielen anderen Hamburger Forschungsgruppen gerade Arbeiten dazu auf, wie Erkenntnisse der Sozialwissenschaften in neue Szenarien möglicher Zukünfte einfließen können. Davon erwarten wir uns Aufschlüsse darüber, welche gesellschaftlichen Lösungsansätze des Klimaproblems erfolgversprechend sind und welche nicht. Vielleicht können wir sogar neue Lösungsansätze finden – Ansätze, auf die noch niemand gekommen ist.
Wie schätzen Sie den Einfluss von Bewegungen wie Fridays for Future und Scientists for Future ein?
In meiner persönlichen Wahrnehmung gibt es durch Fridays for Future erstmalig eine breitere gesellschaftliche Kraft, die Klimaschutz wirklich will. Davor wurde zwar ebenfalls breit mit dem Klimaschutz sympathisiert, man gab sich aber im Wesentlichen mit einer Simulation von Klimaschutz-Bemühungen durch die Politik zufrieden. Dies ist nun anders. Insofern kann die Bedeutung von Fridays for Future gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Wie könnte die Naturwissenschaft Ihrer Meinung nach in der Öffentlichkeit stärker Gehör finden?
Hierzu wäre es hilfreich, Formate zu finden, die erreichen, dass sich Menschen ihre möglichen Zukünfte (inkl. der ihrer Kinder) besser vorstellen können. Hierbei ergeben sich spannende Möglichkeiten für Ausstellungsplaner*innen, aber auch für die IT-Branche, entsprechende Apps zu erzeugen. Doch warum sollten sich Bürgerinnen und Bürger überhaupt damit befassen wollen? Droht nicht eine Flut unangenehmer Wahrheiten, der man lieber ausweicht? Ich könnte mir vorstellen, dass ein stärker kombiniert kommuniziertes Wissen: „Problem und Lösungsoptionen“ Bürgerinnen und Bürger animieren könnte, unser aller Zukunft stärker als bisher mitgestalten zu wollen. Dies kann bei aller Problematik am Horizont auch eine höhere Lebensqualität bedeuten.
Das Interview ist zuerst beim Cluster Erneuerbare Energien erschienen.