Lang ersehntes Werkzeug für die KlimaforschungUniversität Hamburg entwickelt neues und umfassendes Klimarechenmodell
14. Dezember 2021, von Stephanie Janssen
Foto: DKRZ/MPI-M
Ein Forschungsprojekt der Universität Hamburg soll einen Quantensprung in der Qualität von Klimamodellierungen ermöglichen. Dafür fließen erstmals alle verfügbaren Mess- und Beobachtungsdaten der vergangenen 50 Jahre weltweit ein. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert das Projekt mit 1,25 Millionen Euro.
Der Ozeanograph Prof. Dr. Detlef Stammer vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) an der Universität Hamburg bekommt die Förderung im Rahmen eines Reinhard Koselleck-Projekts als Einzelperson zugesprochen. Mit solchen Projekten fördert die DFG besonders innovative und in einem positiven Sinn risikobehaftete Forschungsansätze.
„In ein solches neues Klimamodell werden alle verfügbaren Messdaten und Beobachtungsdaten einfließen, die uns derzeit vorliegen, um das Modell realistischer zu machen“, sagt Prof. Stammer. Dafür sollen sämtliche vorhandenen Daten der letzten 50 Jahre über die Atmosphäre, den Ozean, den Boden oder das Meereis in das Modell eingespeist werden, zum Beispiel Temperatur, Dichte, Niederschlag oder Kohlenstoffgehalt – weltweit und in unzähligen Zeitschritten. Ein Mammutprojekt.
Einen Namen hat das Vorhaben auch schon: EARTHRA. Dies steht für Erdsystem-Reanalyse. Das Ziel ist, das Klima der vergangenen 50 Jahre so zu simulieren, dass es mit möglichst allen tatsächlichen Klimabeobachtungen übereinstimmt. Gelingt dies, würde sich ein riesiger Fundus an Wissen über die Vergangenheit eröffnen, denn das Modell könnte auch fehlende Messdaten ergänzen. Zudem würde es Klimavorhersagen für die Zukunft substantiell verbessern, und Wechselwirkungen und Fernwirkungen von Klima-Phänomenen könnten systematischer als bisher erforscht werden. „Wenn wir erfolgreich sind, wird das die weltweite Klimamodellierung enorm voranbringen. Auf solch ein Instrument hat die Forschungsgemeinde lange gewartet. Ich freue mich sehr, dass wir jetzt beginnen können“, so Stammer.
Universitätspräsident Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Lenzen gratuliert: „Die Förderung im Rahmen der Reinhart Koselleck-Projekte der DFG zeigt einmal mehr die Spitzenklasse der Klimaforschung an der Universität Hamburg. Gerade dieser innovative Forschungsansatz von Prof. Stammer wird die Datenlage in der Klimaforschung maßgeblich voranbringen.“
Doch zunächst birgt der neue Ansatz gewaltige methodische Herausforderungen. Ein Erdsystemmodell setzt sich aus mehreren Teilmodellen zusammen. Es gibt ein Modell für die Atmosphäre, eins für den Ozean, für die Landoberfläche, für Eis, für die Vegetation – sowie für Stoffkreisläufe wie den Kohlenstoffkreislauf auf der Erde. In jedem Teilmodell werden die physikalischen oder chemischen Prozesse möglichst genau durch mathematische Formeln beschrieben. In kompletten Erdsystemmodellen sind diese Teile gekoppelt. Doch auch das detaillierteste Rechenmodell bleibt stets eine Vereinfachung der realen Welt und produziert deshalb auch Fehler. Es ist möglich, dass sich die neu eingespeisten Daten an verschiedenen Stellen „aneinander reiben“, sich also widersprechen und dadurch auf Modellprobleme hinweisen.
„Solche Unstimmigkeiten werden wir nutzen, um das Rechenmodell weiter zu verbessern, zum Beispiel indem wir gezielt bestimmte Parameter des Modells anpassen“, sagt Prof. Stammer. „Um solche Verbesserungen zu überprüfen, schalten wir für einen Bereich des globalen Modells gezielt die Zufuhr von Messdaten aus – zum Beispiel die Daten zur Oberflächentemperatur der Ozeane. Das Modell sollte diese Daten dann simulieren.“
In dieser Weise werden die Forschenden verschiedene Bereiche testen und überprüfen, welche Bausteine im weltweiten Klimarechenmodell verbessert werden müssen. Mit Hilfe der DFG-Förderung kann Detlef Stammer dafür über einen Zeitraum von fünf Jahren mehrere Stellen schaffen.
Professor Detlef Stammer ist Direktor des CEN, Sprecher des Exzellenzclusters für Klimaforschung CLICCS (Climate, Climatic Change, and Society) der Universität Hamburg und Leiter des World Climate Research Programme (WCRP).
Weitere Informationen
Infos zu den Reinhard Koselleck-Projekten der DFG
Kontakt:
Prof. Dr. Detlef Stammer
Universität Hamburg
Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN)
Exzellenzcluster Climate, Climatic Change, and Society (CLICCS)
Tel: +49 (0) 40 42838 5052
Email: detlef.stammer@uni-hamburg.de
Stephanie Janssen
Öffentlichkeitsarbeit/Outreach
Universität Hamburg
Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN)
Exzellenzcluster Climate, Climatic Change, and Society (CLICCS)
Tel: +49 (0) 40 42838 7596
Email: stephanie.janssen@uni-hamburg.de