Klimaforschung in der Pandemie
21. Oktober 2021, von Niko Lahajnar über eine Expedition im Südatlantik
Foto: UHH/Knut Heinatz
Eine Reise voller Extreme, um Forschungsdaten zu retten: 67 Tage gemeinsam auf einem 116 Meter langen Schiff, 16.970 Seemeilen bzw. 31.400 Kilometer Reise am Stück und kein einziger Landgang – die Expedition auf dem Forschungsschiff SONNE im Frühjahr 2021 war auch für die erfahrensten der 13 Teilnehmenden eine Reise voller Extreme.
Ich war Fahrtleiter auf dem Schiff, das von der Leitstelle Deutsche Forschungsschiffe an der Universität Hamburg koordiniert wird. Schon vorab mussten wir in Quarantäne und haben danach zweieinhalb Monate durchgehend auf engstem Raum verbracht. Das war eine sehr intensive Zeit mit wenig Privatsphäre. Hinzu kam die Ungewissheit, ob es uns gelingen würde, unser Ziel zu erreichen: Können wir die unter Wasser liegenden Instrumente mit Forschungsdaten der vergangenen zwei Jahre retten? Für unsere wissenschaftliche Arbeit, unter anderem zum Klimawandel, haben wir im Südatlantik Messgeräte und viele Sensoren ausgesetzt, mit denen wir in langen Beobachtungsreihen Proben und Daten sammeln, etwa zu Temperatur, Salzgehalt, Meeresströmung oder Partikelfluss. Doch wichtige Teile der Systeme, etwa um sie wieder an die Oberfläche zu holen, werden mit Batterien betrieben, die regelmäßig gewartet werden müssen – und da wir 2020 aufgrund der Corona-Pandemie nicht ausfahren konnten, bestand die Gefahr, dass wir die Geräte verlieren. Und damit alle kostbaren Messdaten und Proben.
Als wir nach 27 Tagen Fahrt auf hoher See – Startpunkt war Emden am 19. März 2021 – schließlich an der Südspitze Afrikas ankamen, standen wir vor der bangen Frage: Laufen die Batterien überhaupt noch? Um die Verankerungen der Instrumente zu lösen, schicken wir ein spezielles Schallsignal durch eine Wassersäule, das einen Mechanismus in Gang setzt und die Systeme vom Ankergewicht am Meeresboden löst. Dann kommt das Messgerät hoch, wir können es an der Meeresoberfläche einsammeln und an Bord holen. Doch was, wenn der Auslöser nicht mehr funktioniert? Dann die Erlösung: Ja, es ist mit allen Systemen gelungen! Wir waren mit der Expedition sehr erfolgreich und haben alle Messgeräte, die wir vor zwei Jahren im Meer ausgesetzt hatten, wiederbekommen.
Zurück in Hamburg werden die vielen Proben und Daten aus dem Südatlantik nun ausgewertet und analysiert. Sie helfen zum Beispiel, die Frage zu beantworten, welchen Einfluss die Meere auf den Klimawandel haben. Die Meere haben bislang 30 bis 50 Prozent des gesamten Kohlendioxids aufgenommen, das der Mensch in den vergangenen 150 Jahren emittiert hat. Ohne die Meere würde der Klimawandel daher ganz anders verlaufen. Wenn wir diesen Prozess richtig verstehen, dann erweitern wir nicht nur unser Wissen über das Erdsystem, sondern können auch Vorhersagen über den Klimawandel verbessern.
19NEUZEHN
Dieser Artikel ist in Ausgabe 17 des Hochschulmagazins 19NEUNZEHN zum Wintersemester 2021/22 erschienen. Die vollständige Ausgabe des Heftes sowie das Archiv der vergangenen Ausgaben finden Sie auf dem Online-Auftritt des Magazins.