Klimawandel: Kolumbiens längster Fluss braucht Management
4. August 2021, von Martha Bolivar
Foto: CC-BY-Fabian
Im Norden Kolumbiens mündet der Río Magdalena ins Karibische Meer. Von der Quelle bis zur Mündung legt der mächtige Strom mehr als 1.600 Kilometer zurück und sein Einzugsgebiet ist etwa so groß wie das des Rheins. Als Folge des Klimawandels werden Trockenperioden hier länger, andererseits häufen sich Überschwemmungen. Zudem sind Wirtschaft und Bevölkerung stark gewachsen. Dies hat den Wasserverbrauch enorm gesteigert. Auch die Landwirtschaft verschlingt riesige Mengen Wasser. Gleichzeitig liefert der Río Magdalena heute rund 70 Prozent der gesamten Wasserkraft-Energie des Landes.
Mich interessiert, wie die Region künftig Energiegewinnung und Bewässerung unter einen Hut bekommen kann. Um herauszufinden, wie solch ein Wassermanagement möglichst optimal gestaltet werden kann, habe ich am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) ein mathematisches Modell erstellt und mehrere Szenarien durchgerechnet. Dazu habe ich verschiedene Prognosen zur Entwicklung von Klima und Gesellschaft miteinander verknüpft. Auch technische Berechnungen sind eingeflossen: Wie voll werden die Speicher, wie viel Wasser wird verfügbar sein und wie hoch ist der Wasserverbrauch in Zukunft?
Meine Berechnungen haben ergeben, dass bereits in den kommenden 20 Jahren das Wasser in Spitzenzeiten für Landwirtschaft, private Haushalte und Industrie knapp wird. Deshalb sollte die Infrastruktur rechtzeitig mit Dämmen und Stauseen ausgebaut werden, um die Speicherkapazitäten zu verbessern und den Wasserbedarf bis zum Jahr 2100 zu decken.
Und die Wasserkraft? Meine Ergebnisse zeigen, dass Konflikte zwischen Energiegewinnung und Bewässerung vor allem im Januar auftreten, wenn es besonders trocken ist. Die Felder müssen dann intensiv bewässert werden. Eine Zwickmühle, denn gleichzeitig fehlt das Wasser für die Stromerzeugung in den Stauseen, wenn nun der Energiebedarf besonders hoch ist. Auch in meiner Heimatstadt Santa Marta gibt es in solchen Phasen oft stundenlang keinen Strom.
Was könnte die Lösung sein? Die Kapazitäten von Dämmen und Stauseen müssen bis zum Jahr 2100 deutlich gesteigert werden, um Haushalte, Landwirtschaft und Industrie ausreichend versorgen zu können. Dies erfordert hohe Investitionen, anschließend sind Betriebs- und Wartungskosten aber vergleichsweise gering.
Doch wie erzielen die Investitionen den optimalen sozialen Nutzen? Dazu habe ich beispielhaft verschiedene Varianten untersucht, wie solche Entscheidungen gefällt werden: Bei der ersten Möglichkeit passt der Entscheidungsträger das Management den Veränderungen dynamisch an. Ein zweiter eher kurzsichtiger Entscheidungsträger investiert hingegen in der Annahme, dass das aktuelle Niveau von Wasserangebot und -nachfrage auch künftig bestehen bleibt. Ein weiterer geht davon aus, dass das Angebot konstant bleibt, die Nachfrage sich aber in Zukunft ähnlich wie im vergangenen Jahrzehnt verändert. Fazit: Geschicktes Management ist entscheidend. Hier können meine Modellrechnungen den lokalen Behörden helfen, vorausschauend zu planen und optimal zu investieren, um die Wasserversorgung für kommende Generationen zu sichern. Dadurch ließe sich der volkswirtschaftliche Nutzen bis zum Jahr 2100 sogar um 120 Milliarden US Dollar erhöhen. Doch beim Bau von Staudämmen dürfen Menschenrechte nicht verletzt und die folgenreichen Eingriffe in die Umwelt müssen sorgfältig mit dem ökonomischen Nutzen abgewogen werden.
Martha Bolivar
Dr. Martha Bolivar ist Wasserbauingenieurin aus Kolumbien und hat ihre Dissertation an der Forschungsstelle Nachhaltige Umweltentwicklung der Universität Hamburg verfasst.
Gastbeitrag: Dieser Artikel ist zuerst im Hamburger Abendblatt im Rahmen unserer monatlichen Serie zur Klimaforschung erschienen. Alle Artikel der Serie.