Myanmar: "Waffenstillstandskapitalismus" bedroht die Umwelt
31. März 2021, von Meike Lohkamp
Foto: Pixabay/ Luis Valiente
Nach mehr als fünf Jahren ziviler Regierung hat das Militär in Myanmar Anfang Februar geputscht, die Regierung abgesetzt und die wichtigste Politikerin des Landes, Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, unter Hausarrest gestellt. John Geary aus der Forschungsgruppe Klimawandel und Sicherheit (CLISEC) an der Universität Hamburg verfolgt die Entwicklung des Landes seit vielen Jahren. Wir haben mit ihm über den Zusammenhang von Umwelt und Konflikten gesprochen.
Myanmar wurde 1948 unabhängig. Seit 1962 steht das Land unter einer Militärherrschaft, die zwischen 2011 und 2021 aber auch über demokratische Elemente und einen zivilen Präsidenten verfügte. Wie kam es zu dieser – zumindest vorübergehenden – Demokratisierung?
GEARY: Die Demokratisierung Myanmars hatte vor allem wirtschaftliche Gründe. Das von der Militärdiktatur verfolgte sozialistische Wirtschaftsmodell hatte dazu geführt, dass Myanmar zu den ärmsten Ländern der Welt gehörte. Das Militär erkannte, dass es seine sozialistische Politik aufgeben und die Wirtschaft liberalisieren musste, um ausländische Investitionen anzulocken und Rohstoffe und Güter zu exportieren. Voraussetzung war, dass Sanktionen der internationalen Gemeinschaft aufgehoben werden. Um dies zu erreichen, lies das Militär ein gewisses Maß an Demokratie mit relativ freien Wahlen zu.
Seit der Unabhängigkeit halten in Myanmar bewaffnete Konflikte mit ethnischen Minderheiten an. Dabei geht es oft um Land. Im Zuge von Demokratisierung und Liberalisierung schloss das Militär dann Waffenstillstände mit verschiedenen Minderheiten. Wie gelang dies?
GEARY: Um sich die Unterstützung der Minderheiten zu sichern, hat sich in Myanmar ein sogenannter "Waffenstillstandskapitalismus" entwickelt. Dabei vergibt das Militär Land an die Anführer der Aufstandsgruppen, über welches diese nach eigenem Gutdünken verfügen können. Dazu gehört auch, große Flächen an ausländische Unternehmen zu verkaufen. Oft handelt es sich dabei um Land, das von der lokalen Bevölkerung seit Generationen genutzt wird, ohne dass ein Eigentumsnachweis vorliegt. Tatsche ist jedoch, dass nicht alle einmal geschlossenen Waffenstillstände heute noch Bestand haben.
Welche Folgen hatten die Waffenstillstände und die wirtschaftliche Liberalisierung für Myanmar?
GEARY: Durch das friedliche innerstaatliche Umfeld sowie den Fluss ausländischer Investitionen und den Zugang zum Export begann Myanmar, natürliche Ressourcen wie Holz, Biotreibstoff und Kautschuk in großem Umfang abzubauen. Wie sehr die Umwelt darunter leidet, lässt sich am besten am Waldverlust illustrieren: Als Myanmar 1948 unabhängig wurde, bedeckten die Wälder etwa 70 Prozent des Landes. Heute sind es weniger als 50 Prozent.
Was bedeutet das für die Zukunft Myanmars?
GEARY: Wenn dieser Trend anhält, ist es möglich, dass die Wälder des Landes bis zum Jahr 2035 praktisch verschwunden sein werden. Dies wird zu erhöhten CO2-Emissionen führen, zumal ein großer Teil der verbleibenden Wälder aus Mangroven besteht. Mangroven speichern im Vergleich zu anderen Waldtypen deutlich mehr CO2 pro Fläche – entsprechend werden bei Rodung auch große Mengen CO2 frei. Dazu kommt: Die Küstenbevölkerung ist zum Schutz vor Überschwemmungen sowie als Grundlage für Nahrung oder Medizin auf die Mangroven angewiesen.
Ist die Umweltzerstörung als Folge der Öffnung Myanmars ein Einzelfall?
GEARY: Nein. Auch aus anderen Ländern wissen wir, dass Demokratisierung zu einem verstärkten Abbau natürlicher Ressourcen führt. Ehemalige militärische Machthaber brauchen Geld, um bei einer Wahl anzutreten. Der Verkauf von Ressourcen beschert ihnen dieses. Myanmar kann als Beispiel dienen, wie Waffenstillstandsabkommen zu Landraub und Zerstörung natürlicher Ressourcen führen und in einem erneuten Konflikt enden können. Dies ist eine Erkenntnis, die auf andere rohstoffreiche Länder, in denen Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet wurden, wie Kolumbien und die Demokratische Republik Kongo, übertragen werden muss.
Zur Person
John Geary ist Doktorand in der Forschungsgruppe für Klimawandel und Sicherheit (CLISEC) an der Universität Hamburg. Unter der Leitung von Prof. Dr. Jürgen Scheffran erforscht er, wie sich der Klimawandel auf die Lebensgrundlagen von Küstengemeinden im Süden Myanmars auswirkt und welches Konfliktpotenzial mit der Landnutzung verbunden ist.