Gestresste Straßenbäume: Linden, Eichen oder Ahorne werden künftig früher sterben
16. Juli 2018, von Prof. Dr. Annette Eschenbach, CEN
Foto: UHH/CEN/T.Wasilewki
Wer durch Hamburg und Umgebung streift, entdeckt eine von den Eiszeiten geformte Landschaft. Damals schoben Gletscher Geröllmengen vor sich her, die heute die Hügellandschaft im Nordosten der Stadt bilden. Schmelzwasser wusch das Urstromtal der Elbe aus und durch aufgewehte Sandablagerungen entstanden beispielsweise die Boberger Dünen.
Auf diesen eiszeitlichen Materialien und neueren Ablagerungen, die beispielsweise im Gezeiteneinfluss der Elbe entstandenen sind, haben sich rund dreißig verschiedene Bodentypen entwickelt; fast alle, die in Deutschland vorkommen. Ihre Namen haben die wenigsten je gehört: Regosol ist beispielsweise ein flachgründiger, kalkarmer Boden, während ein Podsol sauer und sandig ist und Gley vom Grundwasser geprägt.
Mit meinem Team untersuche ich am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg, wie die verschiedene Böden auf den Klimawandel reagieren und wie sich ihre Funktionen für das Ökosystem und den Menschen ändern. Steigende Temperaturen und längere sommerliche Trockenperioden, wie sie für Norddeutschland prognostiziert worden sind, werden beispielsweise die Böden austrocknen lassen, die Wasser ohnehin schlecht speichern oder leiten. Zu ihnen gehören die sandigen Standorte in der Lüneburger Heide, die – einmal ausgetrocknet – auch für Winderosion anfälliger werden. Häufigere extreme Regenfälle könnten hingegen bei wenig durchlässigen Böden wie im Hamburger Nordosten zu Staunässe führen – und zu einer Erosion durch Wasser.
Diese Veränderungen beeinflussen auch die Vegetation in der Stadt. Besonders betroffen sind die Stadtbäume. Schon heute müssen sie schwierigen Bedingungen trotzen: Einem wärmeren lokalen Klima als im Umland, höheren Schadstoffgehalten und überbauten, verdichteten Böden. Derzeit sind 60 Prozent der Hamburger Stadtfläche als Siedlungs- und Verkehrsfläche genutzt, mehr als ein Drittel ist versiegelt.
Mit meinem Team habe ich Bodenproben in der Stadt entnommen und analysiert. An neun von zehn Standorten haben wir vom Menschen eingebrachte Stoffe entdeckt: Meist Sand, der nährstoffarm ist und kaum Wasser speichert, und in beinahe jeder dritten Probe auch Bauschutt, Müll, Schlacken oder Aschen.
In diesen Böden können junge Bäume kaum wurzeln. Deswegen werden Straßenbäume oft in anderthalb Meter tiefe Gruben gepflanzt. Doch diese sind bald zu klein; schließlich benötigt das Wurzelwerk eines Baumes etwa genauso viel Raum wie sein sichtbarer Teil, seine Krone. Kommt zu den ohnehin schwierigen Bedingungen der Klimawandel hinzu, werden Straßenbäume künftig nicht mehr alt. Wir schätzen, dass die heute gepflanzten mit nur 40 bis 50 Jahren eingehen werden.
Für Hamburg wäre das tragisch. Ein gut etablierter Baumbestand kann nicht mehr nachwachsen. Zudem tragen die mächtigen alten Linden, Eichen oder Ahorne zum menschlichen Wohlbefinden bei, indem sie Sauerstoff produzieren, Schatten spenden und ihre Umgebung durch Verdunstung kühlen.
Deswegen erforsche ich, wie wir für Bäume in der Stadt bessere Lebensbedingungen schaffen können. Beispielsweise brauchen wir für die Pflanzgruben geeignete Nährböden, die je nach Bedarf Wasser speichern oder ableiten können. Oder geschultes Personal, das bei Baumaßnahmen am Straßenrand auf den Boden acht gibt. Wir alle sollten lernen, Böden stärker zu schützen und zu schätzen. Sie sind die Lebensgrundlage für alle Pflanzen und viele Tiere – und keine unerschöpfliche Ressource.
Dieser Artikel erschien im Juli 2018 als Gastbeitrag im Hamburger Abendblatt.
Annette Eschenbach ist Professorin für Bodenschutz und Bodentechnologie und Mitglied im Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) an der Universität Hamburg.