Der Hamburg-Tornado vom 7. Juni 2016 – Vorhersage wäre möglich gewesen
11. Juni 2018, von Stephanie Janssen
Foto: IWK/F.Böttcher
Dr. Peter Hoffmann und Prof. Dr. Felix Ament haben mit ihrem Team am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg den Hamburg-Tornado von 2016 analysiert. Exemplarisch zeigen sie, dass Vorhersagen mit vergleichsweise wenig Aufwand möglich sind.
Meteorologe Dr. Peter Hoffmann: „Als ich an dem Tag von der S-Bahn nach Hause ging, habe ich das Gewitter gesehen. Es war nicht weit entfernt, ich schätze etwa drei Kilometer. Normalerweise wäre ich stehen geblieben und hätte gewartet, um mir das Schauspiel anzusehen. Denn ich bin auch Storm Chaser und habe in Texas, USA, einmal einen Tornado live gesehen. Aber ich wollte nach Hause, zu meinem kleinen Sohn. So habe ich den Tornado vor meiner eigenen Haustür tatsächlich verpasst!
Hätte ich das nur vorher gewusst. Ich erinnerte mich dann an das Rechenmodell zur Wettervorhersage, mit dem ich während meiner Zeit in Australien gearbeitet hatte. Es ist frei verfügbar, ich hatte es auf meinem Laptop installiert und probierte es kurze Zeit später aus: Die Vorhersage für Hamburg sah vielversprechend aus!“
Zur gleichen Zeit zeichnete auf dem Dach des Geomatikums der Universität Hamburg das Regenradar den Tornado detailliert auf. Für die Meteorologinnen und Meteorologen vom CEN ein seltener Glücksfall, dass er sich im Einzugsgebiet des Hamburger Radars befand.
Meteorologe Prof. Felix Ament: „Unsere Radarbilder sind die einzigen professionellen Aufzeichnungen, auf denen der Tornado im Detail zu sehen ist. Weil nur wenige Gebiete weltweit von hoch aufgelösten Radaren beobachtet werden, verpassen wir diese Ereignisse in der Regel. Von vielen gibt es dann nur Handyvideos im Internet. Durch die wissenschaftlichen Aufzeichnungen wissen wir jetzt genau: Der Hamburg-Tornado dauerte 13 Minuten und legte eine Strecke von 1,3 Kilometern zurück.“
Der Tornado wurde mit der Stärke F1 auf der Fujita-Skala (F0-F5) bewertet, ein eher leichtes Ereignis. Obwohl er in einer dicht besiedelten Gegend auftrat, entstanden nur Sachschäden. Peter Hoffmann passte das bestehende Vorhersage-Modell namens CCAM (Conformal Cubic Atmosphere Model) in mehreren Rechenschritten so an, dass es den Niederschlag mit einer Auflösung von einem Kilometer Maschenweite wiedergeben kann. Startet man das Modell mit den Informationen aus der Nacht vom 6. auf den 7. Juni, 2 Uhr, kann es eine Gewitterzelle über Hamburg gegen 17 Uhr nachmittags mit Potenzial zu einem Tornado vorhersagen. Doch wie exakt ist diese Prognose?
Der Vergleich mit den hoch aufgelösten Daten des Radars vom Geomatikum zeigt: Das Modell hätte das Ereignis bis zu zwölf Stunden vorher, zeitlich auf eine halbe Stunde genau und räumlich mit nur etwa drei Kilometern Abweichung vorhersagen können. Mit einfacher Technik lassen sich also bereits erstaunlich exakte Ergebnisse erzielen.
Ob sich vorhergesagte Gewitterzellen tatsächlich zu einem Tornado entwickeln, lässt sich aus dem Modell nicht ableiten. Tornados entstehen aus Superzellen, das sind hoch strukturierte Gewitterzellen, die rotieren. Doch Studien aus den USA zeigen, dass sich nur aus 26 Prozent aller Superzellen auch tatsächlich ein Tornado bildet. Für Europa wurde dies noch nicht untersucht. Zur genaueren Analyse müssten kurzfristig aktuelle hoch aufgelöste Radardaten einfließen. Ament und Hoffmann haben gemeinsam mit den Kolleginnen Claire Merker (CEN, MeteoSwiss Zürich) und Katharina Lengfeld (Deutscher Wetterdienst) nur dieses einzelne extreme Ereignis untersucht, für routinemäßige Vorhersagen ist weitere Forschung nötig – Potenzial dafür ist eindeutig vorhanden.
Kontakt:
Dr. Peter Hoffmann, CEN, Universität Hamburg (bis 04/2018)
Climate Service Center Germany, GERICS (ab 05/2018)
Tel.: 040 226 338 457
peter.hoffmann"AT"hzg.de
Prof. Dr. Felix Ament, CEN, Universität Hamburg
Tel.: 040-42838 3597
felix.ament"AT"uni-hamburg.de