Pandora: Hoffnung für Europas Fische – und Fischer
27. Februar 2018, von Christina Krätzig
Foto: UHH/CEN/C.Krätzig
Im offenen Meer lebende Fische wie beispielsweise Hering oder Kabeljau haben eine besondere wirtschaftliche Bedeutung für die europäische Fischerei-Industrie. Ein neues Forschungsprojekt soll ab Mitte 2018 bessere Prognosen über ihre Bestandsentwicklung ermöglichen und zeigen, wie nachhaltig unterschiedliche Managementstrategien sind. Beteiligt sind neben Universitäten auch außeruniversitäre Forschungsinstitute und Wirtschaftsverbände, insgesamt 25 Partner. Prof. Dr. Myron Peck, Ozeanograph am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN), wird den Projektbereich „Stakeholder engagement“ leiten, um das gemeinsame Engagement von Wissenschaft, Fischerei-Industrie und Politik für eine nachhaltige Fischerei zu fördern.
Prof. Peck, das neue Forschungsprojekt heißt “Pandora”, das steht für “Paradigm for Novel Dynamic Oceanic Resource Assessments”. Aber der Name erinnert auch an die Büchse der Pandora, aus der alle möglichen Übel entwichen – haben Sie das bedacht?
Es gab durchaus Diskussionen, als wir den Namen gewählt haben. Wir haben uns für ihn entschieden, weil das Akronym sehr gut passt – und weil es die Komplexität heraufbeschwört, mit der wir es zu tun haben. Die Fischerei genießt vielerorts keinen guten Ruf, weil es so viel Überfischung gibt. Doch das letzte, was aus der Büchse der Pandora heraus kam, war Hoffnung – das sollte man nicht vergessen.
Was ist das wichtigste Ziel des Forschungsprojektes?
Wir wollen die vorhandenen Daten zur europäischen Hochseefischerei zusammenführen und Rechenmodelle entwickeln, welche die Entwicklungen von Fischbeständen genauer vorhersagen können als bisher. Diese Modelle werden auf einer Internetplattform frei zugänglich sein. Unsere Zukunftsvision sieht so aus: Fischer geben in die Rechenmodelle ein, welche Arten und welche Mengen sie fangen wollen – und sehen direkt, ob sie nachhaltig arbeiten oder die Bestände zu stark ausbeuten. Mittels der Modelle können sie gegebenenfalls Alternativen ermitteln, beispielsweise, ob es sinnvoller ist, sich eine Zeit lang auf andere Arten zu konzentrieren.
Was leisten die neuen Modelle, was bisherige Modelle nicht können?
Pandoras Rechenmodelle werden viel mehr Parameter mit einbeziehen. Ein Beispiel: Im Moment werden Fischarten in der Regel getrennt voneinander betrachtet und gemanagt. Doch es gibt Wechselwirkungen. So fressen Kabeljaue Heringe, und Heringe fressen wiederum Kabeljaueier. Fangquoten für eine Art wirken sich so automatisch auf andere Arten aus. Pandora wird Modelle entwickeln, die solche Zusammenhänge abbilden können.
Viele Bestände haben sich den letzten Jahren sogar erholt, und auch das wirkt sich auf die anderen Arten aus. Pandora beginnt also in einer spannende Zeit: Es gibt wieder mehr Fische im Ozean, und wir brauchen neue Methoden, diese zu managen.
Sind alle benötigten Daten bereits vorhanden?
Nein, in manchen Gebieten fehlen uns Daten. Manchmal wissen wir noch nicht genug über die Bestände – darüber, wo sich Fischschwärme aufhalten oder wie sie sich zusammensetzen. Gerade im Mittelmeer, wo es um viele Bestände nicht gut bestellt ist, haben wir Wissenslücken. Ein wichtiges Ziel von Pandora ist es deswegen, die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Fischerei-Industrie zu verbessern. Dafür sind wir hier in Hamburg zuständig.
Sie haben eingangs selbst von Überfischung gesprochen. Ist daran nicht eine allzu gierige Fischerei-Industrie schuld – und viel zu hohe Fangquoten? Wie kann ein Projekt wie Pandora da Abhilfe schaffen?
Die Fischerei hat die marinen Ökosysteme dramatisch verändert – für immer. Es gibt keinen Weg zurück. Doch die Industrie ist nicht daran interessiert, alle Fische zu fangen. Sie hat verstanden, was mit den Beständen geschehen ist. Nun arbeitet die Wissenschaft für die Industrie, in dem Sinne, dass wir dazu beitragen wollen, dass nachhaltig gefischt wird. Wissenschaft und Industrie sind also keine Gegner, sondern sollten kooperieren. So wird Pandora beispielsweise Workshops für Fischer anbieten, um auch Daten von ihnen zu bekommen. Die Fischer zu überzeugen ist nicht unbedingt einfach, aber sie kennen die Situation der Bestände meist besser als irgendjemand sonst.
Ein weiterer wichtiger Aspekt von Pandora ist es, der Politik die bestmöglichen wissenschaftlichen Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung zu stellen. Wenn wir das getan haben, übernimmt allerdings die politische Maschinerie. Über die Quoten, die dann gemacht werden, wundern sich Wissenschaftler und Fischerei-Industrie oft gleichermaßen. Aber das sind eben politische Entscheidungen.
Prof. Dr. Myron Peck koordiniert außerdem das Forschungsprojekt CERES, in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Auswirkungen des Klimawandels auf Aquakulturen und Fischerei-Industrie erforschen.
Mehr zu CERES
www.cen.uni-hamburg.de
Klimawandel: Hyperaktive Austern und gestresste Karpfen
www.ceresproject.eu