Weltklimabericht IPCC – dritter TeilKlimaschutz rechnet sich
4. April 2022, von Ute Kreis
Foto: Unsplash/ Nicholas Doherty
Heute wird der dritte und letzte Teil des 6. Weltklimaberichtes veröffentlicht. Hermann Held, Professor für Nachhaltigkeit und Globalen Wandel an der Universität Hamburg, ist Mitglied im internationalen Team der begutachtenden Herausgeber:innen und beantwortet unsere Fragen.
Professor Held, heute erscheint der dritte Teil des Berichtes. Worum geht es?
Dieser Teil prüft, welche Möglichkeiten wir haben, den vom Menschen verursachten Klimawandel abzubremsen. Wie und wo lassen sich Treibhausgase vermeiden? Wie schnell kann und muss es gehen, um bestimmte Klimaziele wie 1,5 oder 2 Grad zu erreichen? Aber auch: Was kostet uns der Klimaschutz und was müssen wir beachten? Nach den naturwissenschaftlichen Grundlagen im ersten Teil und den Auswirkungen und Anpassungsmöglichkeiten in Teil zwei ist dies der unverzichtbare Part, wenn man das Problem ernsthaft an der Wurzel packen will.
Was steht drin, was wir vorher noch nicht wussten?
Besonders interessant ist, dass die Emissionen der Länder diesmal auch mit der Lebensqualität verknüpft werden. Bisher war es so, dass das Wohlergehen stieg, je mehr Ressourcen ein- und umgesetzt werden. Geht es einer Gesellschaft also automatisch besser, je mehr Treibhausgase sie in die Luft pustet?
So hat es sich in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt. Das hat dazu geführt, dass die westliche Zivilisation zum Standard geworden ist – mit entsprechenden Folgen für das globale Klima. Neue Studien zeigen aber, dass diese Beziehung nicht zwingend ist: Es gibt eine Reihe von Ländern, die bei gleicher Lebensqualität mit deutlich weniger Emissionen auskommen. Das ist eine wichtige Beobachtung und macht Hoffnung.
Wir müssen unseren Lebensstil also ändern? Wie steht es mit den technischen Lösungen, von denen viele träumen, weil dann vielleicht doch alles beim Alten bleibt?
Durch eine veränderte Nachfrage könnten wir einen spürbaren und bislang unterschätzten Effekt ausüben. Doch auch neue Technologien und veränderte Infrastrukturen sind wichtig: Fragt man nach wirtschaftlich effizienten Möglichkeiten, den CO2-Ausstoß zu verringern, muss die Elektrifizierung vorangetrieben werden – beim Heizen, bei Transport und Mobilität, aber auch in der Industrie. Denn die Stromproduktion lässt sich am ehesten „dekarbonisieren“, also von Energieträgern wie Kohle, Gas und Öl abkoppeln. Auch dürften ab sofort keine Kohlekraftwerke mehr ohne eine Speicherung des frei werdenden Kohlendioxids im Untergrund betrieben werden.
Neu ist, dass wir in jedem Fall negative Emissionen benötigen, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Es genügt nicht, dass wir weniger CO2 ausstoßen, wir müssen das Treibhausgas auch aktiv aus der Luft zurückholen. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten, allerdings beinhalten diese fast alle eine Verpressung von Kohlendioxid ins Erdreich. Letztere gilt vielen als Risikotechnologie. Die Anstrengungen, eine Reduktion auf anderem Wege zu erreichen, waren in der Vergangenheit schlicht nicht ausreichend. Gleichzeitig wird die verbleibende Zeit immer knapper.
Sie hatten es schon angedeutet, was wird uns das Ganze kosten?
Auf dem Gebiet ist viel geforscht worden, und wir können das jetzt verlässlicher beziffern: Um die 2-Grad-Grenze nicht zu überschreiten, werden wir im Jahr 2050 1,3 bis 2,7 Prozent des weltweiten Bruttosozialproduktes benötigen. Für das 1,5-Grad-Ziel liegen die Kosten bei 2,6 bis 4,2 Prozent. Erfahrungsgemäß wirkt sich dies etwa eins zu eins auf Einkommensverlust und Konsum aus. Da wäre es interessant zu wissen, wie die Bevölkerung zu diesen Zahlen steht.
Wichtig zu wissen: Durch die getroffenen Maßnahmen werden gleichzeitig teure Schäden vermieden – etwa durch Extremwetter, Ernteausfälle oder teure Schäden an der Infrastruktur. Stellt man dies einander gegenüber, zeigt sich: Das 2-Grad Ziel rechnet sich auch ökonomisch.
Eine wichtige Botschaft. Was können Politik und Wirtschaft aus dem Bericht sonst noch lernen?
Wo jetzt investiert werden müsste, um mit geringem Mitteleinsatz viel zu erreichen. Das heißt, möglichst viel Treibhausgase einzusparen. Hier hat insbesondere die Agrar- und Forstwirtschaft Potenzial. Viel versprechend sind auch die Bereiche Transport und Elektrizität sowie eine effizientere Energienutzung. Der Bedarf ist in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich.
Was ist mit anderen wichtigen Themen wie Biodiversität, Ernährung oder Gesundheit?
Wenn alles dem Klimaschutz untergeordnet und nicht vorausschauend geplant wird, kann das für Umwelt und Natur unter Umständen kontraproduktiv sein. Etwa weil knappe Flächen für erneuerbare Energien genutzt werden und nicht für Lebensmittelanbau oder Artenschutz zur Verfügung stehen. Nachhaltiger Klimaschutz nimmt Ziele wie sauberes Wasser, den Kampf gegen den Hunger oder den Schutz der Biodiversität von Anfang an mit in den Blick. Der neue Bericht zeigt hier Zusammenhänge auf, die bisher nur wenig Beachtung fanden. Übrigens auch im Positiven: So erzeugt eine pflanzenbasierte Ernährung weniger Emissionen und kann zugleich gut für die Gesundheit sein. Und Niedrigemissions-Technologien helfen, die Luft sauber zu halten und wiederum Gesundheitskosten zu reduzieren.
Der Weltklimabericht des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change = Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen) wurde 1988 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen und der Weltorganisation für Meteorologie ins Leben gerufen. Ziel ist es, für politische Entscheidungsträger den Stand der Forschung zusammenzufassen – zu den naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels (1. Teil), den Auswirkungen und Anpassungsstrategien (2. Teil) sowie Minderungsstrategien (3. Teil).
Der IPCC beruft dafür ca. tausend Wissenschaftler aus aller Welt. Der Bericht erscheint aktuell zum sechsten Mal. Darüber hinaus sind mehr als zehn thematische Sonderberichte erschienen. Der IPCC-Bericht gilt als „Goldstandard“ der Klimaforschung, die glaubwürdigste und fundierteste Darstellung über Klimaänderungen und die Möglichkeiten, damit umzugehen.
Hermann Held ist Professor für Nachhaltigkeit und Globalen Wandel an der Universität Hamburg. Der Physiker und Experte für fächerübergreifenden Umweltforschung ist außerdem einer der Leiter der Forschungsstelle „Nachhaltigkeit und Klimarisiken“. Er ist einer der begutachtenden Herausgeber des dritten Teils des aktuellen Berichtes, insbesondere für das Kapitel 17, in dem es um einen beschleunigten Wandel und um Wechselwirkungen mit anderen Nachhaltigkeitszielen geht.
Kontakt
Ute Kreis
Öffentlichkeitsarbeit, Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN)
Tel.: +49 40 42838-4523, ute.kreis@uni-hamburg.de
Prof. Dr. Hermann Held
Tel: +49 40 42838 7007, hermann.held@uni-hamburg.de
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