Was sollte der Ausstoß von Klimagasen kosten?CO2-Preis schafft Klimaschutz und mehr Energieunabhängigkeit
9. März 2022, von Franziska Neigenfind
Foto: Pixabay/Sigurd Rille
Die Verteuerung von CO2-Emissionen – sei es durch eine Steuer oder einen Emissionshandel, gilt als zentrales politisches Instrument beim Klimaschutz. Sie soll dabei helfen, den Ausstoß des Treibhausgases zu reduzieren und Klimaschäden zu vermeiden – und hat weitere positive Nebeneffekte. Der Umweltökonom Prof. Moritz Drupp vom Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) untersucht, welcher CO2-Preis angemessen ist und hat dazu mit seinen Koautoren eine weltweite Experten-Befragung durchgeführt.
Herr Drupp, der Krieg in der Ukraine erschüttert Europa und hat auch viele Auswirkungen auf langfristige Bemühungen. Was heißt das für das Klima?
Leider betrifft dies nicht zuletzt auch den Klimaschutz, auch wenn das natürlich aktuell angesichts des Leids des Krieges in den Hintergrund tritt. Dennoch müssen wir weiter für unsere Ziele arbeiten und die Klimakrise in den Griff bekommen. Ein konsequenter CO2-Preis hilft uns dabei, dass wir schneller klimaneutral werden und uns gleichzeitig frei machen von der Abhängigkeit autokratischer Regime. Der Krieg macht die Rechnung unter anderem für Autofahrer immer teurer, weil der Ölpreis steigt. Der zentrale Unterschied liegt allerdings darin, dass die staatlichen Einnahmen aus der CO2-Bepreisung wieder an die Haushalte zurückgegeben werden können, während die aktuellen Preissteigerungen an Ölfirmen oder autokratische Regime verloren gehen und teilweise auch noch in die Kriegskasse fließen.
Seit Anfang des Jahres greifen Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland bereits für Benzin und Diesel tiefer in die Tasche.
In Deutschland startete das nationale Emissionshandelssystem 2021 mit einem Festpreis von 25 Euro pro Tonne CO2. Seit Anfang 2022 sind 30 Euro je Tonne fällig – das sind pro Liter Benzin ungefähr sieben Cent Aufschlag. Im Europäischen Emissionshandel lag der Preis bereits bei zirka 100 Euro pro Tonne CO2. Das setzt wirksame Anreize, um Emissionen zu reduzieren.
Bis zur Einführung der Kohlenstoffpreise war es in Deutschland ein mühsamer Weg. Wie sieht es in anderen Ländern aus?
Ja, da gibt es viele Hindernisse. Einen Preis durchzusetzen, der die tatsächlichen sozialen Kosten von CO2-Emissionen widerspiegelt, bleibt eine große Herausforderung für die Politik. Dennoch haben bereits 45 Länder CO2-Preise eingeführt. Weitere wollen bald nachziehen. Die Preise sind dabei extrem unterschiedlich – von wenigen Cent bis hin zu mehr als 100 Euro pro Tonne CO2. Neben dem Preis variiert auch die Verwendung der Einnahmen: In Deutschland wird die EEG-Umlage reduziert oder in den öffentlichen Nahverkehr investiert. In Kanada oder der Schweiz werden diese zum großen Teil als „Klimadividende“ an die Bürger zurück verteilt. Die Einnahmen pro Kopf zurückzuerstatten, kann Entlastung schaffen, damit sich auch Menschen mit niedrigen Einkommen Grundbedürfnisse wie Heizen oder Mobilität leisten können.
Woher weiß man denn, welcher Preis angemessen und akzeptabel ist?
Klimaökonomen, wie der Nobelpreisträger Nordhaus, benutzen oft Rechenmodelle, um optimale CO2-Preise zu bestimmen. In solche Modelle fließen aber auch Werturteile mit ein, oder spezifische Sichtweisen der Modellierer. Ob die so bestimmten CO2-Preise also adäquat sind oder nicht, ist schwer zu beurteilen. Wir haben daher eine Expertenbefragung durchgeführt, um Empfehlungen für angemessene CO2-Preise auf eine breitere Basis zu stellen. Wir erhielten Antworten von mehr als 400 Expertinnen und Experten aus knapp 40 Ländern. Dabei ging es nicht nur um die Höhe der Preise, sondern auch um Fragen der Politikgestaltung.
Oft heißt es ja, dass sich auch die Expertinnen und Experten nicht einig sind.
Die Empfehlungen gehen zwar teils weit auseinander, gleichzeitig zeigen unsere Ergebnisse aber auch, dass sich eine Mehrheit der Experten in wichtigen Punkten einigen kann. Zum Beispiel darüber, dass ein einheitlicher globaler Kohlenstoffpreis deutlich höher sein sollte als der derzeitige globale Durchschnittspreis, der vor kurzem auf drei Dollar pro Tonne CO2 geschätzt wurde. Mehr als 95 Prozent der Experten hielt einen globalen Kohlenstoffpreis von unter fünf Dollar bereits im Jahr 2020 für nicht akzeptabel. Eine Mehrheit kann sich auf bestimmte CO2-Preise einigen – sowohl kurzfristig als auch für das Jahr 2030. Und auch innerhalb der meisten Länder kann sich eine Mehrheit auf bestimmte Kohlenstoffpreise verständigen. Wird zusätzlich ein CO2-Grenzausgleich eingeführt, so dass heimischen Unternehmen international keine Wettbewerbsnachteile entstehen, ist die Einigkeit über nationale CO2-Preise sogar noch größer.
Empfehlen Experten diese Preise auch den eigenen Regierungen? Oder profitiert man lieber davon, dass die Nachbarn hohe Preise einführen und man selbst umso besser dasteht?
Man würde denken, dass es hier viele Trittbrettfahrer gibt. Aber tatsächlich übersteigen die Empfehlungen auf der Ebene einzelner Länder im Durchschnitt sogar die globalen Preisempfehlungen. Es zeigt sich also vielmehr ein „Mitnehmen“ statt „Trittbrettfahren“. Viele Experten aus reicheren Ländern neigen wohl dazu, ihren eigenen Regierungen aus globalem Verantwortungsbewusstsein heraus höhere Kohlenstoffpreise zu empfehlen. Es kann aber auch am lokalen Zusatznutzen liegen: Werden CO2-Emissionen reduziert, verringert sich die Energieabhängigkeit von autokratischen Regimen und es verbessert sich auch die lokale Luftqualität, was wiederum positive Effekte für die Gesundheit bringt.
Doch insgesamt verhalten sie sich anders als erwartet?
Ja, das war für uns sehr überraschend, da das Trittbrettfahrer-Problem in der Fachliteratur seit langem als eines der größten Hindernisse beim Klimaschutz gilt. Unsere Ergebnisse bestätigen dies nicht und deuten auf andere Probleme hin, die es den Ländern erschweren, beim Klimaschutz voranzukommen, wie Wettbewerbsnachteile, Lobbyismus oder Verteilungsfragen.
Das scheint ein sehr deutliches Signal Richtung Klimapolitik zu sein.
Die Botschaft lautet, dass die Klimapolitik stärker die Lenkungswirkung der Kohlenstoffpreise nutzen sollte, um im Klimaschutz ehrgeizigere Ziele zu erreichen. Konkret stellen wir fest, dass die empfohlenen globalen Preise für das Jahr 2020 bei durchschnittlich 50 Dollar für eine Tonne CO2 lagen. Im Laufe der Zeit steigen die Empfehlungen dann auf knapp 100 Dollar im Jahr 2030 und auf über 200 Dollar für das Jahr 2050. In Deutschland war sich die Mehrheit der Experten einig, dass der Kohlenstoffpreis 2020 bei mehr als 25 Euro hätte starten sollen. Für das Jahr 2030 finden beispielsweise zwei Drittel aller deutschen Experten einen Preis von 100 Dollar (zirka 88 Euro) akzeptabel – vorausgesetzt die Europäische Kommission führt bis dahin den Kohlenstoff-Grenzausgleich ein, um Wettbewerbsverzerrungen zu reduzieren.
Aber all das ist nicht vergleichbar mit den hohen Preisen, die gerade wegen des Krieges entstehen?
Nein, kaum Experten haben einen so drastischen Preisanstieg empfohlen, wie wir ihn nun erlebt haben. Der Liter Benzin ist etwa 50 Cent teurer geworden. Das entspräche einem CO2-Preis von an die 200 Dollar pro Tonne CO2. Die CO2-Preise, auf die sich eine Mehrheit der Experten einigen können, liegen bei etwa einem Viertel davon – also bei einem Aufschlag von weniger als 15 Cent. Mit weiteren Aufschlägen sollte selbstverständlich abgewartet werden, bis sich die aktuelle Ausnahmesituation an den globalen Ölmärkten wieder beruhigt hat.
Professor Moritz Drupp ist Umweltökonom am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg und im Exzellenzcluster CLICCS.
Fachartikel:
Moritz A. Drupp, Frikk Nesje, Robert C. Schmidt: Carbon Pricing
Kontakt
Prof. Dr. Moritz Drupp
Universität Hamburg
Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN)
Exzellenzcluster Climate, Climatic Change, and Society (CLICCS)
E-Mail: moritz.drupp@uni-hamburg.de
Tel: +49 (0) 40 42838 6171