CO2-Preise sind auch für die Gesundheit gut
19. Juli 2023, von Moritz Drupp
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War die Ökosteuer ein Flop? Seit 1999 wurde deutschlandweit auf Benzin und Diesel ein Aufschlag erhoben. Geplant war, ihn jedes Jahr weiter zu erhöhen. Doch schon 2003 wurde die Abgabe bei rund 15 Cent pro Liter eingefroren. So besteht sie bis heute. Die bisherige Forschung bescheinigte der Ökosteuer nur geringen Nutzen – doch das Gegenteil ist der Fall.
Um den Klimawandel einzudämmen, müssen wir den Ausstoß von CO2, also Kohlendioxid, extrem zurückfahren. Ein Weg ist dabei eine Steuer auf Benzin und Diesel. Aber welcher Preis bewirkt wie viel weniger Abgase? Die Ökosteuer wurde früh ausgebremst, hatte sie überhaupt einen Effekt? Für den Bereich Verkehr haben wir jetzt genau hingeschaut. Am Exzellenzcluster für Klimaforschung CLICCS der Universität Hamburg analysieren mein Doktorand Pier Basaglia und ich gesamtwirtschaftliche Auswirkungen von Preisen auf CO2.
Wie hätten sich die Emissionen in Deutschland ohne die Ökosteuer entwickelt? Leider gibt es kein zweites Deutschland zum Vergleich, in dem die Abgabe nicht eingeführt wurde. Im Team haben wir einen anderen Weg gefunden: Wir programmierten einen aussagekräftigen Deutschland -„Klon“, ein Modell, das den deutschen Verkehrssektor mit Hilfe von ökonomischen Kennzahlen beschreibt. Dazu nutzten wir Datensätze von anderen Industrieländern, die Deutschland möglichst ähnlich sind und im untersuchten Zeitraum keine Umweltsteuer eingeführt hatten. Aus diesem Pool kombinierten wir den Klon. Er setzt sich aus Werten wie dem Einkommen oder der Zahl der Autos pro Kopf zusammen.
Um den Klon zu prüfen, simulierten wir die Entwicklung in den dreißig Jahren vor der Steuer und verglichen dies mit echten Messwerten. Weil es beim Klonen immer leichte Schwankungen gibt, haben wir gleich sieben Klone erstellt, um auf Nummer sicher zu gehen. Wie also hat sich die Ökosteuer ausgewirkt?
Eindeutig: massiv. Der Vergleich ergab, dass im Sektor Verkehr im Zeitraum von 1999 bis 2009 im Durchschnitt rund zehn Prozent CO2 pro Jahr relativ zum Klon eingespart wurden.
Warum wurde die Steuer dann als kaum wirksam bewertet? Frühere Studien des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung verglichen einfach die Emissionen in Deutschland vor Einführung der Steuer und danach. Doch die gesamte Wirtschaft hätte sich auch ohne die Steuer verändert. Die Deutschen sind reicher geworden, sie kaufen andere Autos und fahren mehr Kilometer. Wir konnten jetzt den tatsächlichen Effekt der Steuer herausrechnen.
Und wir sehen noch mehr: Durch die Ökosteuer wurden pro Jahr 27 Prozent weniger Feinstaub und 13 Prozent weniger schädliche Stickstoffoxide emittiert. Im Gegensatz zu Klimaschäden, die vor allem in der Zukunft anfallen, hilft dies der Gesundheit direkt und reduziert weitere Kosten. Nimmt man beide Faktoren zusammen, sparte die Umweltsteuer in zehn Jahren circa 80 Milliarden Euro ein.
Für die Berechnung haben wir die Zahlen des Umweltbundesamtes verwendet. Dies ging im Jahr 2012 davon aus, dass der Ausstoß einer Tonne CO2 etwa 80 Euro Folgekosten für Schäden an Umwelt und Wirtschaft verursacht. Mittlerweile geht die Behörde von mehr als 200 Euro pro Tonne CO2 aus. Wir sparen also ganz offiziell mit jedem nicht verbrauchten Liter Benzin oder Diesel viel mehr gesellschaftliche Kosten ein als gedacht. Die Ökosteuer ist somit eindeutig kein Flop – sie hilft dem Klima und unserer Gesundheit.
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Moritz Drupp ist Nachhaltigkeitsökonom und forscht im Exzellenzcluster für Klimaforschung CLICCS der Universität Hamburg zu CO2-Bepreisung.
Gastbeitrag: Dieser Artikel ist zuerst im Hamburger Abendblatt im Rahmen unserer monatlichen Serie zur Klimaforschung erschienen. Alle Artikel der Serie
Publikation: Basaglia P, Behr SM, Drupp MA (2023): De-Fueling Externalities: Causal Effects of Fuel Taxation and Mediating Mechanisms for Delivering Climate and Health Benefits; CESifo Working Papers (Download PDF)