Wie Unternehmen durch Transparenz grüner werden
15. Juni 2023, von Prof. Alexander Bassen
Foto: Unsplash/Cai Fang
Was tun Unternehmen, um ihre CO2-Emissionen zu reduzieren? Das ist häufig unklar. Bislang müssen lediglich 600 Unternehmen in Deutschland einen Nachhaltigkeitsbericht vorlegen – zu diesen gehören große börsennotierte Unternehmen sowie Banken und Versicherungen. Eine einfache Erklärung reicht aus – weder die Höhe der Emissionen noch die Klimaziele müssen angegeben werden. Doch das ändert sich bald spürbar. Denn die Europäische Union wird verpflichtende Regeln für eine transparente Nachhaltigkeitsberichterstattung einführen, an der ich in der internationalen Arbeitsgruppe mitgearbeitet haben.
Das Ziel dieser Gruppe: Standards zu erarbeiten, nach denen Unternehmen zukünftig berichten müssen, wie nachhaltig sie wirtschaften. Am Exzellenzcluster für Klimaforschung CLICCS forsche ich zurzeit zur Dekarbonisierung der Wirtschaft und habe gemeinsam mit rund 50 Personen aus Politik, NGOs, Unternehmen, Verbänden und der Wissenschaft mehrere Monate an den neuen Regeln gearbeitet. Das war eine sehr intensive Zeit mit bis zu drei Zoom-Meetings pro Woche. Daraus sind die „European Sustainability Reporting Standards“ entstanden. Sie gliedern sich in Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Im Themenblock Umwelt sollen Unternehmen unter anderem zu Wasser, Abfall und Klimaemissionen Auskunft geben. Allerdings wird hier vorerst nur der Bericht zur Klimawirkung verpflichtend sein. Bei allen anderen Themen entscheiden die Unternehmen selbst, ob sie Einfluss nehmen und berichtet werden müssen. Eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft muss die Entscheidung überprüfen.
Bei dem Report geht es allein um Transparenz. Ein Automobilhersteller muss beispielsweise berichten, wie sich die CO2-Emissionen der hergestellten Fahrzeuge entwickelt haben. Ein hoher Ausstoß hat erstmal keine Konsequenzen. Aber es kann dazu führen, dass Investoren und Banken die Zusammenarbeit beenden. Auch Konsumenten könnten das Unternehmen meiden. Dadurch wird es indirekt für seinen Umgang mit der Umwelt bestraft.
Neue Standards mit bis zu 1000 Datenpunkten
In den kommenden Jahren werden alle Unternehmen, die mehr als 250 Mitarbeitende haben, nach diesen Standards berichten. Das sind über 15.000 Unternehmen in Deutschland. Kleinere Unternehmen müssen keinen Bericht abgeben, weil der Aufwand zu groß wäre. Denn die Standards umfassen bis zu 1000 Datenpunkte. Da berichtspflichtige Unternehmen zukünftig auch über ihre Lieferketten und Zuliefererfirmen berichten müssen, werden kleinere Unternehmen aber indirekt doch von dieser Berichtspflicht betroffen sein.
Im Exzellenzcluster CLICCS führen wir zurzeit eine Studie durch, in der wir Firmen aus verschiedenen Ländern befragen – unter anderem in China und Brasilien. Was tun sie, um ihre Emissionen zu reduzieren? Ich habe zum Beispiel mit Geschäftsführungen aus Hongkong gesprochen. Schon jetzt deutet sich an: Unternehmen senken Emissionen, wenn sie zur Transparenz verpflichtet sind. Wenn alles nach Plan läuft, werden dazu auch unsere neuen Standards beitragen.
Als nächstes wird sich die EU noch intensiver den besonders klimaunfreundlichen Sektoren widmen, auch wenn viele Unternehmen die neuen Standards bereits einhalten müssen. Ich freue mich schon sehr darauf, im Team die Regeln für die Öl-, Gas- und Kohleindustrie zu entwickeln. Bei CLICCS untersuchen wir dann weiterhin, ob die neuen Berichterstattungspflichten auch wirklich zum Klimaschutz beitragen.
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Prof. Dr. Alexander Bassen beschäftigt sich mit Kapitalmärkten und Unternehmensführung. Er forscht im Exzellenzcluster für Klimaforschung „Climate, Climatic Change, and Society“ (CLICCS) der Universität Hamburg.
Gastbeitrag: Dieser Artikel ist zuerst im Hamburger Abendblatt im Rahmen unserer monatlichen Serie zur Klimaforschung erschienen. Alle Artikel der Serie