Wie Boxen und Dreiecke dabei helfen, den Küstenozean zu erforschen
11. Mai 2023, von Moritz Mathis
Foto: Mathis et al. 2022
Der Küstenozean wird bei Untersuchungen des globalen Klimawandels kaum berücksichtigt – obwohl er CO2 aufnehmen und speichern kann. Das liegt daran, dass unsere Rechnerleistung begrenzt ist. Somit können wir Kohlenstoffumsatzprozesse nur grobskalig einplanen. Der Kohlenstoffgehalt im Küstenozean kann jedoch auf kleinem Raum unterschiedlich hoch sein. Das erfordert eine detailliertere Auflösung der dafür verantwortlichen Mechanismen. Mein Team und ich vom Exzellenzcluster für Klimaforschung „Climate, Climatic Change, and Society“ (CLICCS) an der Universität Hamburg haben uns gefragt: Wie lassen sich diese kleinräumigen Küstenprozesse in Klimaprognosen besser berücksichtigen? Dafür haben wir eine Lösung gefunden.
Klimaprozesse erforsche ich nicht an der Küste oder im Labor, sondern am Computer. Dafür bauen mein Team und ich in einer Software den Globus mit dreidimensionalen Boxen nach. In jeder Box gibt es zum Beispiel jeweils einen Wert für die Temperatur, die Sauerstoffkonzentration oder den Kohlenstoffgehalt. Außerdem definieren wir anhand physikalischer Gesetze, wie die Seiten mit den umliegenden Boxen interagieren können. Neben einer Box kann etwa eine Landbox oder eine weitere Wasserbox liegen.
Je kleiner die Boxen, desto höher die benötigte Rechenpower. Diese ist tausend Mal größer als die Leistung eines normalen Laptops. Ich schicke meine Simulationen immer an den Supercomputer des Deutschen Klimarechenzentrums in der Hamburger Bundesstraße. Der kann für unsere Modellexperimente schon mal bis zu zwei Monate rechnen – je nachdem wie viele Details und welchen Zeitraum er für mich abbildet.
Da die Rechenleistung des Supercomputers dennoch begrenzt ist, sind die Boxen typischerweise mehrere Kilometer groß – zu ausgedehnt um die kleinteiligen Prozesse in den Küstenozeanen zu berechnen. Bisher konnten wir in Erdsystemmodellen nur alle Boxen gleichzeitig vergrößern oder verkleinern. Alternativ gab es die Möglichkeit, bestimmte Regionen detailliert zu untersuchen, dann mussten wir jedoch auf den globalen Kontext verzichten. Die Klimaforschung hat aber Fragen, bei denen wir diesen Kontext brauchen und bestimmte Regionen trotzdem genau erforschen möchten: Mit kleineren Boxen, die nur wenige hundert Meter groß sind.
Deshalb haben wir ein neues Modell entwickelt, mit dem wir Küstenozeane nun detailliert untersuchen können und gleichzeitig den globalen Kontext im Blick behalten. Das Besondere: Jetzt können wir definieren, welche Gebiete große Boxen und welche kleine Boxen haben sollen – wie zum Beispiel Küstenozeane. Im offenen Ozean lassen wir die Boxen verhältnismäßig groß, weil die dargestellten Messgrößen trotz einer kilometerweiten Ausdehnung geringeren Schwankungen unterliegen. Dadurch ist das Modell besonders effizient. Und es gibt eine Neuerung: Das Modell verwendet statt quadratischen Boxen unterschiedlich große dreieckige Boxen, sogenannte Prismen. Diese erlauben erst die regionale Verfeinerung und schmiegen sich außerdem besser an das Gelände an, funktionieren ansonsten aber wie quadratische Boxen.
Mit unserem verfeinerten globalen Küstennetz können wir die physikalischen und biogeochemischen Prozesse von der Küste bis zum offenen Ozean nahtlos beschreiben – ein großer Sprung nach vorne. Aber wir haben uns bereits neue Ziele gesetzt: Aktuell ist das Modell auf den Ozean beschränkt. Wir wollen auch Landflächen und die Atmosphäre detaillierter betrachten. Unser Modell ist grundsätzlich einsatzbereit, wir müssen es jedoch ausgiebig testen, um das volle Potenzial zu nutzen. Je genauer wir das Modell kennenlernen, desto besser wird es uns bei der Entwicklung von Strategien gegen den Klimawandel unterstützen. An Küstenozeanen, aber auch an anderen Orten.
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Dr. Moritz Mathis untersucht Stofftransporte im Ozean und forscht am Helmholtz-Zentrum Hereon für das Exzellenzcluster für Klimaforschung „Climate, Climatic Change, and Society“ (CLICCS) der Universität Hamburg.
Fachpublikation: Mathis, M., et al. (2022). Seamless Integration of the Coastal Ocean in Global Marine Carbon Cycle Modeling. Journal of Advances in Modeling Earth Systems, 14(8). https://doi.org/10.1029/2021ms002789
Gastbeitrag: Dieser Artikel ist zuerst im Hamburger Abendblatt im Rahmen unserer monatlichen Serie zur Klimaforschung erschienen. Alle Artikel der Serie