Nachhaltigkeit in Brasilien
8. März 2023, von Eduardo Gonçalves Gresse
Foto: Pixabay/Poswiecie
Brasilien ist das Land mit der größten biologischen Vielfalt der Welt. Aber bisher hat es eine unstete Umweltpolitik: Einst war es Vorreiter einer ambitionierten globalen Nachhaltigkeitsstrategie und Gastgeber der wegweisenden Rio-Konferenzen. Doch hat Brasilien in den letzten Jahren enorme demokratische und ökologische Rückschläge erlebt. In diesem Kontext sind es vor allem zivilgesellschaftliche Gruppen, die Umwelt- und Klimaschutzagenden voranbringen. Wie gut funktioniert das? Das ist einer meiner Forschungsschwerpunkte am Hamburger Exzellenzcluster für Klimaforschung, CLICCS.
Sechs Monate war ich in Brasilien und habe vor Ort zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen geforscht, die bis 2030 erreicht werden sollen. Sie werden auch SDGs oder Sustainable Development Goals genannt. Beispiele sind die Bekämpfung von Armut, Zugang zu Nahrung und sauberem Trinkwasser, Mobilität und Sicherheit sowie klare Ziele zum Naturschutz. Ich habe untersucht, wie Aktivistinnen, Wissenschaftlerinnen und Unternehmer die globale Agenda wahrnehmen und wie sie sie auf lokaler Ebene umsetzen. Welche Vorstellungen von der Zukunft, welche Ideen dazu haben die Menschen? Welche neuen Praktiken – aber auch Konflikte entstehen bei sozialem Engagement für die Nachhaltigkeitsziele?
Durch diese Ziele sollen Gesellschaften weltweit nachhaltiger werden. Als sie 2015 festgelegt wurden, hat der Staat Brasilien zugesichert, sich dafür einzusetzen. Bisher sind es aber seit Jahren nichtstaatliche Akteure, die an den Zielen arbeiten. Was treibt diese Menschen an? Und was haben sie bisher erreicht?
In meinen Interviews habe ich ein enormes ziviles Engagement festgestellt, einen nachhaltigeren Weg zu gehen. Ich habe mit Akteuren gesprochen, die mit Entwicklungsorganisationen und lokalen Behörden kooperieren, um die Agenda 2030 zu verbreiten und umzusetzen. Dabei entstehen neue Allianzen. Eine Gruppe veröffentlicht zum Beispiel jährlich die Fortschritte bei den Nachhaltigkeitszielen in Brasilien. Durch neue Vernetzungen werden immer mehr Menschen für die Ziele sensibilisiert, aber auch über Rückschläge im Land informiert. Behörden und Bürgerinnen finden zusammen und unterstützen sich, politische Prozesse werden angetrieben. Doch meine Analyse zeigt auch, dass viele gesellschaftliche Akteure, vor allem Unternehmen, die Agenda ausnutzen, um eigene Initiativen anzupreisen, die nicht zu den Zielen beitragen.
Fazit: Die von mir untersuchten Gruppen haben einerseits eine große Kraft, Nachhaltigkeitsziele bekannt zu machen und politische Prozesse anzutreiben. Doch so beeindruckend das Engagement ist, nur wenn die breite Gesellschaft hinter einem nachhaltigen Wandel steht und der Staat diesen gleichzeitig massiv finanziell unterstützt und eigene Programme aufsetzt, können die Ziele erreicht werden.
Brasilien hat alle Voraussetzungen, um Vorreiter für nachhaltige Entwicklung zu sein. Durch den Regierungswechsel im Januar 2023 wird eine Trendwende erwartet. Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat bereits ambitionierte Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und des Klimas ergriffen. Mit der Nominierung von Marina Silva als Umweltministerin hat Brasilien zusätzlich ein Signal gesetzt, dass sich das Land in Richtung Nachhaltigkeit entwickeln soll. Jedoch zeigen die jüngsten Ausschreitungen der Anhänger von Ex-Präsident Jair Bolsonaro, dass die Umgestaltung des brasilianischen Entwicklungsmodells keine leichte Aufgabe wird.
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Dr. Eduardo Gonçalves Gresse forscht als CLICCS Synthese Wissenschaftler zu nachhaltiger Entwicklung und möglichen Klimazukünften mit einem Schwerpunkt auf Brasilien.
Gastbeitrag: Dieser Artikel ist zuerst im Hamburger Abendblatt im Rahmen unserer monatlichen Serie zur Klimaforschung erschienen. Alle Artikel der Serie