Mit Schleppkamera und Unterwasser-Roboter auf EntdeckungsfahrtExpedition erkundet Tiefsee-Lebensräume rund um Madeira
9. Februar 2024, von Geomar, Kiel
Foto: Solvin Zankl
Quallen sind nur schwer zu untersuchen, denn sie sind sehr fragil und es ist schwierig, sie mit Netzen intakt zu fangen. Deshalb ist ihr Beitrag zum Nahrungsnetz im Ozean noch kaum erforscht. Eine internationale Expedition mit Expert:innen aus verschiedenen Forschungsfeldern macht sich heute auf den Weg, unbekannte unterseeische Lebensräume mit ihrer Artenvielfalt rund um die Insel Madeira zu erkunden. Mit an Bord ist Prof. Nicole Aberle-Malzahn vom CEN, die insbesondere das Mikrozooplankton über die gesamte Wassersäule hinweg untersuchen wird.
„Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir auf der Fahrt neue Arten entdecken werden”, sagt Dr. Jan Dierking. Der Meeresbiologe am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Meeresforschung Kiel ist Fahrtleiter der Expedition „Jellyweb Madeira“ auf dem deutschen Forschungsschiff MARIA S. MERIAN. Es läuft heute aus, um die Unterwasserlebensräume rund um Madeira zu erforschen. Die geplanten Untersuchungen beziehen sich in großen Teilen auf die Tiefsee, und dieser Lebensraum ist noch immer weitgehend unerforscht. Es ist dort dunkel, kalt, und es herrscht ein enormer Druck. Vor allem aber ist die Tiefsee tief. Um dort Proben zu nehmen, braucht es sehr spezielle Geräte.
Während der Fahrt wird das internationale Team aus 22 Wissenschaftler:innen aus fünf Ländern daher eine breite Palette modernster Instrumente und Technologien einsetzen, darunter Echolote, Schleppkameras, einen Tiefseeroboter und verschiedene Netze, um die biologische Vielfalt und die Nahrungsnetze der Tiefsee zu erforschen.
„Die Echolote und Schleppkameras werden wir zunächst einsetzen, um drei Gebiete rund um die Insel Madeira von einer Tiefe von 50 Metern bis hinunter auf 3000 Meter zu kartieren“, erklärt Co-Fahrtleiter Dr. Henk-Jan Hoving, „einen Tiefsee-Canyon, ein ausgedehntes Unterwasserplateau und einen unterseeischen Bergrücken.“
Ein Foto- und Videosystem filmt und fotografiert für die Kartierung den Meeresboden. Ein mit einer Kamera und Sensoren ausgestattetes Tiefsee-Kamerasystem kann Tag und Nacht im Freiwasser eingesetzt werden und ermöglicht es, Organismen lebend in ihrer natürlichen Umgebung zu dokumentieren. Dabei erhoffen sich die Wissenschaftler:innen, bislang unentdeckte Lebensräume wie Korallengärten oder Tiefseeriffe zu finden, an die sie dann zur gezielten Probennahme zurückkehren können.
Für die Beprobungen haben sie einen ferngesteuerten Unterwasserroboter dabei, der bis zu 2000 Meter in die Tiefe tauchen kann und über eine Glasfaserverbindung hochauflösende Live-Videos aus der Tiefsee an die Oberfläche überträgt.. Im offenen Wasser wird eine „Slurp Gun“, eine Art Staubsauger eingesetzt, der die empfindlichen gallertartigen Organismen schonend einsammelt – „eine riesige Chance, Tiefseearten unbeschadet nach oben zu holen und zu beschreiben“. Am Meeresboden wird der Roboter Proben von Sedimenten, Korallen oder Schwämmen nehmen. Außerdem dient er dort als Plattform für Experimente zu den so genannten Nahrungsfällen (food falls), also dem, was aus den oberen Schichten des Ozeans hinabsinkt. „Wir wollen sehen, wie die Lebewesen im Freiwasser mit der Tiefsee in Verbindung stehen: Wer frisst hier wen, wer steht mit wem in Konkurrenz?“, erklärt Dr. Jan Dierking.
Welche Rolle spielt gelatinöses Zooplankton, also Quallen, im ozeanischen Nahrungsnetz? Dazu gibt es noch nicht viele Erkenntnisse, denn Quallen zu untersuchen ist schwierig. Sie sind sehr fragil, lassen sich nur schwer unversehrt mit Netzen fangen, weshalb ihre Bedeutung für die Nahrungsnetze wahrscheinlich unterschätzt wird. Co-Fahrtleiter Dr. Henk-Jan Hoving: „Diese Gruppe von Lebewesen ist sehr vielfältig. Einige von ihnen können eine Länge von mehreren Metern erreichen. Manche sind Räuber, die Krebstiere, Fische oder andere gelatinöse Organismen fressen. Andere ernähren sich von Detritus, dem abgestorbenen und verrottenden Material, das in der Wassersäule reichlich vorhanden ist.“
Das Nahrungsnetz der gelatinösen Organismen, auch als Jellyweb bezeichnet, spiele daher wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung von organischem Material, denn Quallen können in großer Zahl auftreten, sagt der Tiefsee-Experte. Und stirbt so eine „Quallenblüte“, sinkt möglicherweise auch eine sehr große Menge Biomasse ab. Dr. Jan Dierking: „Wieviel davon eigentlich am Meeresgrund ankommt und wer sich davon ernährt, wissen wir für viele Regionennoch nicht.“ Das Jellyweb könnte eine Schlüsselrolle in den ozeanischen Nahrungsnetzen spielen und auch erheblich am Export von Kohlenstoff in die Tiefsee beteiligt sein.
Mehr Informationen
Projekt-Förderung:
Die Expedition wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Blog:
https://www.oceanblogs.org/msm126/
Bildmaterial:
Unter www.geomar.de/n9332 steht Bildmaterial zum Download bereit.