Achtung, Emissionshandel!Mehr Erneuerbare heißt nicht automatisch weniger CO2
9. Juli 2019, von Dr. Johannes Jarke-Neuert
Foto: E.Westendarp/pixelio
Der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch in Deutschland war in der ersten Hälfte des Jahres 2019 mit 44 Prozent so hoch wie noch nie, wie der Bundesverband der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) kürzlich mitteilte. Entsprechend sei der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase bei der Stromerzeugung im gleichen Zeitraum um rund 15 Prozent gesunken. Ein erfreulicher Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele, wie der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Stefan Kapferer, kommentierte. Oder nicht?
So achtbar die Anstrengungen der Stromerzeuger auch sein mögen, unmittelbar wird dadurch keine einzige Tonne CO2 eingespart. Dies liegt am Europäischen Emissionshandel (EU ETS), dem die europäischen Stromerzeuger unterliegen: Erzeuger, die CO2 einsparen, werden ihre Emissionsrechte für die vermiedene Menge nicht mehr brauchen und an der Börse verkaufen. Andere Stromerzeuger oder Betreiber von Industrieanlagen, für die CO2-Einsparungen auf technischen Wegen teuer sind, werden diese Emissionsrechte kaufen und einsetzen. Unter dem Strich hat sich lediglich geändert wo die Treibhausgase ausgestoßen werden, jedoch nicht wieviel.
Ein Weg zur effektiven CO2-Minderung: weniger Zertifikate
Schlimmer noch: Werden auch über Preisänderungen vermittelte Anpassungen in Wirtschaftsbereichen berücksichtigt, die dem EU ETS nicht unterliegen—das betrifft immerhin rund die Hälfte des Gesamtausstoßes in der EU—kann mehr Ökostrom sogar zu mehr Emissionen führen. Nur ein Beispiel wie nationale Alleingänge in Verbindung mit dem EU ETS zu Ergebnissen führen können, die besten Absichten und den selbstgesteckten Klimaschutzzielen zuwiderlaufen 1,2,3.
Der unmittelbare Weg zu einer Senkung des Treibhausgasausstoßes im Rahmen des EU ETS ist denkbar einfach: Eine Verknappung der Emissionsrechte. Diese Einfachheit und die damit einhergehende Transparenz war vor fast 15 Jahren einer der Gründe für den Einsatz des Instruments. Jede Einsparung—offen und nachvollziehbar definiert in Tonnen CO2-Äquivalenten—ist eine politische Entscheidung auf europäischer Ebene. Und das war auch genau so gewollt.
Der Autor
Dr. Johannes Jarke-Neuert ist Wirtschaftswissenschaftler im Exzellenzcluster Climate, Climatic Change and Society (CLICCS) am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg.
Fachartikel: J. Jarke und G. Perino (2017). Do renewable energy policies reduce carbon emissions? On caps and inter-industry leakage. Journal of Environmental Economics and Management 84, 102-124.